Aktuelles


 

 

3. Dezember 2023


    „Gut durchgebraten: Ein leckerer, gesunder Salat mit Hähnchenbruststreifen“ 


Zur Information von Verbraucher/Innen haben wir einen Film gedreht.



Und hier ist er zu finden:

https://www.youtube.com/watch?v=iC4ZTORnPJw


Bitte weiterleiten an alle, die wie die angeblich überwiegende Mehrheit „schon irgendwie gegen Massentierhaltung“ sind, aber denen vielleicht bisher nur ein kleiner Anstoß fehlte, aus eigener Betroffenheit ihr Einkaufs- und Ernährungsverhalten zu ändern.


Die Ärzteinitiative gegen Massentierhaltung informiert in dem kurzen Film ganz praktisch am Beispiel Hähnchenfleisch aus konventioneller Haltung über die Gefahren für die Verbraucher/Innen. Dieses Produkt kommt zu einem bis zwei Dritteln mit antibiotikaresisten Keimen behaftet in den Handel. 

Es wird gezeigt, wie schwierig und quasi unmöglich es ist, in unserer Küche genügend Sorgfalt walten zu lassen, um eine Übertragung der Keime auf uns Menschen direkt, andere Lebensmittel, Gegenstände und Oberflächen zu verhindern. Das immer empfohlene „gute Durchbraten“, das die Keime schon abtötet, ist eben nicht ausreichend.

Eine relevante Quelle für Infektionen mit Durchfallerregern wie Salmonellen und Campylobacter, aber auch mit anderen Keimen wie den multiresisten MRSA oder ESBL-Trägern ist die menschliche Ernährung mit Produkten aus der industriellen Tierhaltung. Dort werden immer noch viel zu viele Tiere mit Antibiotika, zum Teil auch Reserveantibiotika behandelt. Diese sollten schwer kranken Menschen vorbehalten sein.

In vielen Fällen bekommen große Gruppen von Tiere diese Medikamente, auch wenn nur wenige erkrankt sind. Das führt zum Überleben resistenter Keime im Fleisch. Bei menschlichen Infektionen helfen dann nur noch wenige oder gar keine Antibiotika mehr. 

Antibiotika sind quasi zum „Betriebsmittel“ der konventionellen Tiermast geworden, weil anfällige Tiere, die nur auf schnelle Gewichtszunahme gezüchtet sind, ihr kurzes Leben in qualvoller Enge und unter nicht artgerechten Bedingungen verbringen müssen. So entstehen Infektionskrankheiten, die dann antibiotisch behandelt werden müssen.


 


11. Oktober 2023


"Antibiotika schützen, Resistenzen bekämpfen" 

Umfangreicher Report über Antibiotika im Tierstall und ihre Auswirkungen herausgegeben 


 

Heute wurde im Rahmen einer Pressekonferenz dieser Report von GermanWatch unter Mitarbeit der Deutschen Umwelthilfe vorgestellt.

 

Über 100 Seiten mit vielen Grafiken, Tabellen und Quellenangaben, alles auf dem neuesten Stand, akribisch zusammengetragen. Eine unverzichtbare Quelle für alle, die sich genauer informieren und mitdiskutieren möchten. 


Der Report wurde von Konstantinos Tsilimekis (German Watch) vorgestellt. Reinhild Benning (DUH), Dr. med. Jana Schröder (Chefärztin und Infektiologin) sowie Dr. med. vet. Rupert Ebner (Tierarzt und Autor) kommentierten und diskutierten mit dem Publikum und der Presse. 


Hier geht es zum Report "Antibiotika schützen, Resistenzen bekämpfen":






Ein kurzes Video mit Dr. Eckart von Hirschhausen und Maike Voss zieht das Fazit und ist zum Teilen:

 

https://twitter.com/Germanwatch/status/1712016879185715600



28. Mai 2023


Neue Studie - von Dänemark lernen 

Warum unterscheiden sich die EU-Länder so deutlich beim Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung?


In der EU gibt es erhebliche Unterschiede bei den eingesetzten Mengen von Antibiotika in der Tierhaltung. Deutschland befindet sich im Mittelfeld. Leider ist der Verbrauch in Deutschland nach einem anfänglichen Rückgang ab 2011 seit 2016 nicht mehr wesentlich rückläufig. Spitzenreiter im Verbrauch ist 2020 Italien; am besten steht Dänemark da - und das trotz seiner intensiven Schweinehaltung. Was machen die Dänen besser? Eine in der letzten Woche vorgestellte Studie von Dr. med. vet. Andreas Striezel wurde im Auftrag der EU-Grünen erstellt. Sie befasst sich mit einem Ländervergleich in der EU (insbesondere Dänemark zu Italien) und schlägt Strategien zur Verbesserung vor.

 

Das Fazit: 

Gute Tiergesundheit lässt sich auch bei reduziertem Einsatz von Antibiotika erreichen. Das Beispiel Dänemark macht deutlich, dass auch in intensiven Tierhaltungssystemen niedrige Infektionsraten möglich sind. 
 Krankheitsvorbeugende Maßnahmen wie artgerechte Tierhaltung, geringere Besatzdichten, leistungsgerechte Fütterung und Wasserversorgung, wirksame externe und interne Biosicherheit im Betrieb sowie der Einsatz von Impfungen, Probiotika und pflanzlichen Substanzen sind die Basis für geringere Infektionsrisiken.


Hier geht es zum Volltext der Studie:


 


 




Webinar mit Vorstellung der Studie ist auf YouTube zu sehen


Am 22.5.23 wurde die Studie in einem von Martin Häusling (EU-Grüne) veranstalteten Webinar durch den Autor Dr. med. vet. Andreas Striezel vorgestellt. Diskussionsteilnehmer waren Frau Dr. med. Susanne Johna, (Dt. Ärztekammer), Konstantinos Tsilimekis (GermanWatch) und unser Mitglied Dr. med. Imke Lührs.


Hier ist die Aufzeichnung des Webinars zu finden: 


https://www.youtube.com/watch?v=DtXPBwjIH_E&t=7s



10. Mai 2023


Die Albert-Schweitzer-Stiftung veröffentlicht gestern das Ergebnis einer Untersuchung von Hähnchenfleisch aus Lidl-Supermärkten. An der Bewertung der Ergebnisse waren wir von Ärzte gegen Massentierhaltung beteiligt. 

Von insgesamt 51 Proben (alle "Haltungsform 2: Stallhaltung plus") waren nur 6 bakteriologisch unauffällig. In 71 % der Proben wurde das Enzym ESBL nachgewiesen, das die auf dem Fleisch gefundenen Bakterien immun gegen mehrere gängige Antibiotika macht. Bei der Mehrzahl der resistenten Bakterien (75 %) handelt es sich um den Fäkalkeim Escherichia coli, der diverse Erkrankungen auslösen kann, zum Beispiel Harnwegs- oder Magen-Darm-Infekte bis hin zu Sepsis. Außerdem fand das Labor Krankheitserreger wie Enterokokken (25 % der Proben), Campylobacter (18 % der Proben) und Salmonellen (1 Probe). 


Die Albert-Schweitzer-Stiftung schreibt hierzu: 


"Die hohe Keimbelastung ist auf die Bedingungen in Lidls Hühnermast zurückzuführen. Die Tierschutzorganisationen um die Albert Schweitzer Stiftung hatten dazu in den vergangenen Monaten mehrere Videorecherchen aus Ställen von Lidl-Lieferanten in Deutschland, Spanien, Italien und Österreich veröffentlicht.

Die Tierschutzorganisationen fordern vom Lidl-Konzern, dass dieser der Europäischen Masthuhn-Initiative beitritt und seine Tierschutzstandards für die Hühnermast anhebt. Lidl hat aus den Enthüllungen jedoch bisher keine ernstzunehmenden Konsequenzen gezogen.
Die Videos belegen erschreckende Zustände: Sie zeigen durch Qualzucht und Haltungsbedingungen geschwächte und kranke Tiere, die zu Tausenden in tristen Hallen leben. Dort liegen sie die meiste Zeit auf dem mit Exkrementen verdreckten Boden, teils zwischen toten Artgenossen.
Der hohe Antibiotikaeinsatz in der industriellen Tierhaltung begünstigt zudem, dass mehr Bakterien Resistenzen entwickeln: Da im Krankheitsfall meist gleich alle Tiere im Stall Antibiotika erhalten (sog. Metaphylaxe), überleben vor allem resistente Bakterien. Diese können sich dann – ohne Konkurrenz von anderen Bakterien und zwischen vielen geschwächten Tieren auf engstem Raum – optimal vermehren."



Hier der Link auf die ganze Veröffentlichung der Albert-Schweitzer-Stiftung: 

 

https://albert-schweitzer-stiftung.de/aktuell/krankheitserreger-auf-lidl-fleisch


Und auch die Presse hat zahlreich und in großem Stil berichtet. Laut Informationen der Frankfurter Rundschau hat Lidl sich nach dem Bericht bereit erklärt, auf die Haltungsstufen 3 oder 4 umzustellen. Die Albert-Schweitzer-Stiftung hatte Lidl aufgefordert, ebenso wie schon u. a. der Konkurrent Aldi der Europäischen Masthuhninitiative (www.masthuhn-initiative.de) beizutreten, die mittels Selbstverpflichtung Maßnahmen durchsetzt, die wenigstens an den gravierendsten Tierschutzproblemen ansetzen. Das hat Lidl bisher trotz der Ende 2022 veröffentlichten schrecklichen Bilder aus den Ställen der Lidl-Lieferanten abgelehnt.


Hier die Links auf die Presse:


https://www.rtl.de/cms/lidl-huehnchenfleisch-mit-antibiotikaresistenten-keimen-belastet-5042759.html


 

https://www.focus.de/gesundheit/news/71-prozent-der-proben-positiv-multiresistente-keime-in-lidl-huehnchenfleisch-entdeckt_id_193394062.html


https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/heilbronn/albert-schweitzer-stiftung-findet-krankheitserreger-in-lidl-fleisch-100.html


 

https://www.tagesschau.de/inland/regional/badenwuerttemberg/swr-tierschutzorganisation-findet-krankheitserreger-auf-lidl-fleisch-100.html


 

https://www.fr.de/verbraucher/lidl-keime-huhn-fleisch-supermarkt-untersuchung-antibiotikaresistenz-discounter-news-92267847.html




25. April 2023

Ausschnitt aus dem Film "Die Stille Pandemie" wieder auf YouTube zu sehen


 

Ein für unser Thema wichtiger Ausschnitt aus dem Film ist auf unsere Bitte wieder auf YouTube zu finden. Professor Lance B Price, Mikrobiologe von der George-Washington-Universität erklärt seine Untersuchungsergebnisse. Bei den Krankheitskeimen (E. coli) aus dem örtlichen Krankenhaus in Falstaff (USA) fanden sich hohe genetische Übereinstimmungen zu den Keimen auf dem vor Ort im Supermarkt gekauften Hähnchenfleisch.

Danke an die Produktionsfirma Broadway! 


Link zu dem Filmausschnitt:

https://www.youtube.com/watch?v=36pXzDd2Pfs

 

7. Februar 2023

Film "Die Stille Pandemie" noch bis 6. März auf der Arte-Mediathek


Film (2022) des preisgekrönten Dokumentarfilmes Michael Wech, der schon mit seinem Film "Resistance Fighters" (2019), an dem Ärzte gegen Massentierhaltung mitwirken durfte, eine große Reichweite erlangt hat, ist noch bis zum 6.3.23 auf der Arte-Mediathek zu sehen. Es geht um die Pandemie der Antibiotika resistenten Keime weltweit. Unbedingt empfehlenswert!


Link zu dem Film "Die stille Pandemie":

 

https://www.arte.tv/de/videos/097607-000-A/stille-pandemie/

 

Eine Kurzversion des Films "Resistance-Fighters" von 2019 findet sich bei YouTube:

 

https://www.youtube.com/watch?v=CBRFrPQ8iuM



26. Januar 2023

Ein Jahr Deutsches Tierarzneimittelgesetz

Wir nehmen Stellung zusammen mit 22 weiteren Organisationen


Heute haben wir mit 22 weiteren Organisationen aus dem Gesundheitswesen und dem Umwelt- und Tierschutz ein Eckpunktepapier mit Fakten und Forderungen veröffentlicht. Es wird den Verantwortlichen in der Landwirtschafts- und Gesundheitspolitik zusammen mit Bitte um Stellungnahmen zu den einzelnen Themenkreisen vorgelegt werden.


 

 

 





mehr auch auf: 

https://twitter.com/Germanwatch


13. Dezember 2022 

Das deutsche Tierarzneimittelgesetz - Änderungen verabschiedet 

Ist das jetzt ein Etappenerfolg?


 

Am 1. Dezember 2022 kurz vor Mitternacht hat der Bundestag mit den Stimmen der Ampelkoalition das neue deutsche Tierarzneimittelgesetz um Vorschriften zur Erfassung von antimikrobiellen Substanzen in der Tierhaltung ergänzt. Wir, Ärzte gegen Massentierhaltung, haben zu verschiedenen Gelegenheiten gegen Einzelpunkte des Gesetzesentwurfes kritisch Stellung genommen und die Beteiligung auch der Gesundheitspolitik an der Diskussion eingefordert (s. Aktuelles vom 1.2.22, 19.1.22, 14.7.21). In Briefen an einzelne Mitglieder des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft und an Bundesgesundheitsminister Lauterbach haben wir Anfang Oktober unsere Positionen erneut klargemacht und um dringende Nachbesserungen des Gesetzesentwurfes gebeten, damit Antibiotikaresistenzen aus dem Stall nicht zunehmend unser Gesundheitssystem bedrohen.   


Das Gesetz wird kommentiert von Cem Özdemir, Minister für Ernährung und Landwirtschaft: 

"Antibiotikaresistenzen sind eines der größten Gesundheitsprobleme unserer Zeit. Zurecht wird bei Antibiotikaresistenzen auch von der ‚stillen Pandemie‘ gesprochen. Damit wir auch in Zukunft Krankheiten bei Mensch und Tier wirkungsvoll behandeln können, müssen wir den Einsatz von Antibiotika dauerhaft senken. Mit dem neuen Tierarzneimittelgesetz kommen wir einen großen Schritt voran."


Und so heißt es im Gesetz: 

"Die neuen Regelungen sollen der umsichtigen Verwendung von antibiotischen Wirkstoffen dienen. Dies ist für die Bekämpfung des Problems von antibiotischen Resistenzen von zentraler Bedeutung."


In der vorgeschalteten Anhörung im Agrarausschuss am 17.10.22 wurde neben zahlreichen Verbandsvertretern aus dem Agrar- und Veterinärbereich auch immerhin ein Humanmediziner als Einzelsachverständiger befragt, Prof. Dr. med. Mathias Pletz, Infektiologe und Krankenhaushygieniker aus Jena. Er wies in seiner Stellungnahme und in der anschließenden Befragung auf die Gefahren der Übertragung von Resistenzgenen zwischen unterschiedlichen Bakterienspezies hin und die Auswirkungen der nachlassenden Effektivität insbesondere bei Fluorochinolonen, aber auch bei Cephalosporinen 3. und 4. Generation und Colistin. Er ging auch darauf ein, wie schwierig die genaue Erfassung des Anteils der antibiotikaresistenten Keime aus der Tierhaltung gerade wegen der Übertragung von Resistenzgenen von einer Bakterienart auf die andere ist und warum man trotzdem annehmen kann, dass der Anteil der Tierhaltung mit der Übertragung vom tierischen Nahrungsmittel zum Menschen hoch ist.

 

Zitate von Professor Mathias Pletz aus seiner Stellungnahme im Ausschuss: 

"Nach einer vielbeachteten Studie hat man für 2019 global konservativ 1,27 Mio. Tote durch Antibiotikaresistenzen geschätzt, das sind mehr als SARS-CoV-2 weltweit in 2020 gefordert hat. Und die Entwicklung nimmt weiter zu." 

"Manchmal würde ich mir wünschen, dass bestimmte Klassen an Antibiotika einfach komplett (in der Tierhaltung) verboten würden, anstatt über vermehrte Dokumentation den Einsatz zu begrenzen."  

"Ein Verbot von Chinolonen und Cephalosporinen wäre etwas, was ich mir als Humanmediziner sehr wünschen würde. Das sind auch die Substanzen, die wir im Krankenhaus versuchen, sehr restriktiv einzusetzen. Deswegen wundert uns, dass sie dann - während wir kämpfen um einzelne Patienten - in der Metaphylaxe in großem Umfang eingesetzt werden."


Link auf die Wort-Protokolle der Agrarausschuss-Sitzung vom 17.10.22: 

https://www.bundestag.de/ausschuesse/a10_ernaehrung_landwirtschaft/anhoerungen/914422-914422


Was ist neu im Gesetz und sind die Neuerungen zielführend? 

Wo bleibt alles beim Alten? 


Erstmals wird ein Reduktionsziel für Antibiotika verankert. Dieses Ziel von minus 50 Prozent für Antibiotika entspricht der Farm-to-Fork-Strategie der Europäischen Kommission für ein nachhaltiges Agrar- und Ernährungssystem. Das wurde auch von uns so gefordert. Nur: Ziele sind nur gut, wenn Mittel zu deren Umsetzung zur Verfügung stehen. 

Nach drei Jahren soll der Erfolg der Maßnahmen überprüft werden. 

In Zukunft wird bei weiteren Tieren (Milchkühe, Kälber, die nicht im Haltungsbetrieb geboren sind, Jung- und Legehennen und Sauen mit Saugferkeln) die Antibiotikagabe erfasst. Das ist wichtig. Zu unserer Kritik an der Datenerfassung weiter unten. 

Die Behörden vor Ort sind künftig gesetzlich verpflichtet, Anordnungen und Maßnahmen zu treffen, wenn dies zur Verringerung des Antibiotikaeinsatzes in einem tierhaltenden Betrieb erforderlich ist. Das ist gut so, weil Maßnahmen nicht allein den Betrieben und den sie betreuenden Tierärzt*innen mit ihren wechselseitigen Abhängigkeiten überlassen werden dürfen. Nur, sind die Behörden personalmäßig in der Lage, diese Maßnahmen auch anzuordnen und zu kontrollieren?

Von Ärzte gegen Massentierhaltung wurde immer wieder gefordert, dass Reserveantibiotika (nach WHO: Cephalosporine der 3. und 4. Generation, Chinolone, Makrolide, Glykopeptide und Polymyxine) in der Tierhaltung zur Lebensmittelproduktion ganz oder zunächst wenigstens in der sogenannten Metaphylaxe bei der Anwendung für Herden zumeist gesunder Tiere verboten werden sollen. Jetzt wird es für einige Antibiotika dieser Gruppe (Colistin, Fluorchinolone und Cephalosporine der 3. und 4. Generation) den Wichtungsfaktor 3 geben. Das heißt, diese Medikamente werden in der Berechnung der Antibiotikamenge in Gewichtseinheiten mit dem Faktor 3 multipliziert. Das ist eine Alibi-Maßnahme und Augenwischerei! 

(Zu unserer Kritik am Erfassungssystem generell s. u.)

In Hinblick auf das Reserveantibiotikum Colistin wurden Nachbesserungen lediglich in Aussicht gestellt. Es sollen noch Änderungen an der Ermächtigungsgrundlage folgen. 


Andere Länder machen es vor: 

Verbraucht Deutschland 8,6 mg PCU Colistin/kg Tier (PCU: Population Correction Unit, d. h. adjustiert auf das Tiergewicht) und liegt damit 72% über den EMA-Empfehlungen (Europäische Arzneimittelagentur) von 5 mg, verzichten 9 EU-Länder ganz auf die Anwendung von Colistin (darunter die Agrarländer DK, IR und NL), weitere 6 Länder liegen unter 2 mg PCU/kg Tiergewicht (z. B. Ö, F). Die Vorgabe der EMA überschreiten mit Deutschland nur 6 EU-Länder.


Colistinverbrauch in der EU
Tabelle
Polymyxine Colistin in der EU ESVAC report 2022.jp2 (47.82KB)
Colistinverbrauch in der EU
Tabelle
Polymyxine Colistin in der EU ESVAC report 2022.jp2 (47.82KB)

 

 

 




 


Beim Erfassungssystem bleibt aber leider vieles beim Alten. Wie bisher werden in Deutschland lediglich Therapiehäufigkeit und Abgabemenge erfasst. So lassen sich weder auf der Zeitachse (Vergleich der Jahre) noch international oder etwa für den Vergleich von Tierarten ausreichende Schlüsse ziehen. Reserveantibiotika werden wie bisher deutlich unterbewertet. 


Erläuterung dazu: 

Schon vor Jahren hat der ehemalige Veterinärdirektor Dr. Hermann Focke die weiterhin gültige Rechnung aufgestellt: 

Durch die unterschiedliche Dosierung von Standardantibiotika (hier: Tetrazyklin) und  Reserveantibiotika (hier Fluorochinolone bzw. Cephalosporine  der 3. und 4. Generation) ergibt sich, dass man 


  • mit 1 Tonne Tetrazyklin: 39.000 Mastschweine 
  • mit 1 Tonne Fluorochinolon: 2.200.000 Mastschweine (56mal so viele) 
  •  mit 1 Tonne Cephalosporinen: 2.700.000 Mastschweine (69mal so viele)  

 

 

 

behandeln kann. 

Hier kann man sehr schön sehen, dass der neu eingeführte Wichtungsfaktor 3 (ursprünglich geplant war übrigens: 5) für diese Substanzen völlig unzureichend ist. Zielführend wäre hier die Erfassung der DDD (Daily Defined Dosis) jeder Einzelsubstanz und für jede Tierart, wie es auch bei Betrachtungen in der Humanmedizin üblich ist.


 

Unbestritten ist, dass seit 2011 mit Beginn der Erfassung der Abgabemengen die Anwendung von Antibiotika im Stall um über 64% (2011: 1706 t; 2021: 601 t) zurückgegangen ist, mit zeitlicher Verzögerung auch die der Reserveantibiotika.   Die Reduktion ist aber auch einem sehr hohen Ausgangsniveau geschuldet. Erst seit 2018 gehen endlich auch die Abgabemengen für Cephalosporine 3. und 4. Generation und der Fluorochinolone substantiell zurück. Offensichtlicher Grund: Zu diesem Zeitpunkt wurde die Keimtestung (Antibiogramm) vor der Gabe dieser Substanzen verpflichtend!


Antibiotika-Abgabemengen in D 2011-2021
Tabelle
Tabelle_Antibiotika-Abgabemengen_2011-2021_Print.pdf (383.23KB)
Antibiotika-Abgabemengen in D 2011-2021
Tabelle
Tabelle_Antibiotika-Abgabemengen_2011-2021_Print.pdf (383.23KB)

 

 

 

 






 

Wenn man aber den Verbrauch von Veterinärantibiotika für Lebensmittel-Tiere insgesamt in mg PCU/kg Tier (also adjustiert auf das Tiergewicht) für Deutschland betrachtet, hat sich der Verbrauch von 2016 bis 2021 lediglich von 89,2 auf 73,2 mg PCU/kg Tier vermindert (- 18%).  Zum Ländervergleich mit anderen viele Nutztiere haltenden Nationen: DK 41,3; UK 28,3; NL 50,2; F 47,6 mg PCU/kg Tier.


mg PCU je kg Tier in der EU 2016-2021
Tabelle
Tierantibiotika in mg:PCU je kg Tier 2016-2021 EMA 2022.jp2 (101.42KB)
mg PCU je kg Tier in der EU 2016-2021
Tabelle
Tierantibiotika in mg:PCU je kg Tier 2016-2021 EMA 2022.jp2 (101.42KB)

 

 

 

 






 


Der menschliche Prokopfkonsum von Fleisch hat sich in Deutschland von 2016 - 2021 von 60,5 kg auf 55 kg (um 9,1 %) vermindert. Das ist erfreulich und eine gute Tendenz. Das hat auch zur Reduktion der Antibiotikamengen beigetragen.


Unser Fazit:

Natürlich hoffen wir auf einen Effekt der jetzt ergriffenen Maßnahmen und wollen an das Versprechen von Nachbesserungen und Reevaluierungen glauben. 


Wir fordern aber weiterhin ein Verbot der Reserveantibiotika in der industriellen Tierhaltung, zumindest zunächst bei der Abgabe an Tiergruppen. Gerade die Einführung der Antibiogrammpflicht hat gezeigt, dass restriktive Maßnahmen durchschlagende Ergebnisse haben können. 


Einen richtigen Erfolg werden wir aber erst feiern, wenn eine Reduktion der Tierzahlen und des Verbrauchs tierischer Lebensmittel einhergeht mit dem Erhalt der bäuerlichen Betriebe und einer deutlichen Verbesserung der Haltungsbedingungen für die Tiere. 


Das muss nicht zuletzt für den Klimaschutz schnell geschehen!


12. Dezember 2022 

Leseempfehlung: Der Fleischatlas der Heinrich-Böll-Stiftung


Mit "Zwölf kurzen Lektionen über Fleisch und die Welt" über den ökologischen Fußabdruck der Viehhaltung und Ausblicken in die Zukunft sowie auf die zunehmenden Trends zu Vegetarismus und Veganismus in der jungen Bevölkerung. Gut lesbar und illustriert alles drin, was gesagt gehört!


Hier herunterladen:

https://www.boell.de/sites/default/files/2022-01/Boell_Fleischatlas2021_V01_kommentierbar.pdf


23. November 2022

Online-Veranstaltung von Martin Häusling (Grüne, EU-Parlament) 

"Wie weiter im Kampf gegen antibiotikaresistente Keime?"
Über aktuelle Entwicklungen, Handlungsbedarfe und Lösungsansätze auf nationaler und europäischer Ebene hat Martin Häusling am 23.11.2022 mit Zoe Mayer, Mitglied des Bundestags und Berichterstatterin für Tierschutz der Grünen Bundestagfraktion, Reinhild Benning von der Deutschen Umwelthilfe sowie Dr. Jana Schroeder vom Institut für Krankenhaushygiene und Mikrobiologie der Stiftung Mathias-Spital gesprochen.


Zu sehen und zu hören unter:

https://www.youtube.com/watch?v=EmyDdJ-bRA0



22. November 2022 

Online-Veranstaltung der Organisation ProVieh

"Pandemien, Antibiotika und Tierschutz in der industriellen Intensivtierhaltung" 
Interessante und informative Online-Veranstaltung mit Videobotschaft von Jane Goodall und Vorträgen der Teilnehmer mit Diskussion: 

Jens Tuider (ProVeg International), Dr. med. vet. Rupert Ebner (Autor von "Pillen vor der Säue"), Anne Hamester (PROVIEH), Prof. Dr. med. vet. Dr. med. Dr. Markus Schick (Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung), moderiert von Autorin Tanja Busse


Zu sehen und zu hören unter:

https://www.provieh.de/2022/11/pandemie-veranstaltung/



23. Juni 2022

Europaparlament: Fatale Fehlentscheidung zur Antibiotika-Gabe im Stall  


Mit einer ganz knappen Mehrheit von nur 11 Stimmen hat das EU-Parlament die viel zu schwache Vorlage zur Regulierung der Antibiotika in der Tiermedizin befürwortet. Die vom Rahmengesetz explizit beabsichtigte deutliche Reduzierung der Risiken von antibiotikaresistenten Infektionen beim Menschen wird ohne eine Nachbesserung des Gesetzes niemals erreicht werden.


Die Agrar- und Pharma-Lobby haben es mit ihren Kampagnen vorläufig geschafft: Kein einziges Antibiotikum, welches nicht sowieso schon im Tierstall verboten wäre, wird zusätzlich für die Humanmedizin reserviert. 


Darunter sind 4 von 5 Antibiotikaklassen, die von der WHO als CIA-HP (critically important antimicrobials of highest priority) eingestuft werden. Diese Substanzen dürfen in der Tiermast weiterhin "verschlissen" werden: 


Chinolone sind als oral zu verabreichende preisgünstige Pharmaka beliebt in der Tiermast. In der Humanmedizin sind sie unverzichtbar bei Infektionen mit anderweitig resistenten Keimen, z. B. Salmonellen und E. coli. In Deutschland wurden 2020 6.4 t an Masttiere verfüttert bzw. in der Tränke überwiegend an große Tiergruppen meist gesunder Tiere verabreicht. Diese Menge war nach Einführung einer Antibiogrammpflicht (Keimtestung) 2018 schon einmal rückläufig, stieg aber 2020 wieder an. (Zahlen für 2021 liegen wie für die anderen Substanzen noch nicht vor.) 


Cephalosporine ab der 3. Generation sind oft das einzig anwendbare Antibiotikum bei menschlichen Infektionen, insbesondere bei Kindern (die z.B. Chinolone nicht bekommen dürfen). Gebrauch in der deutschen Tiermast 2020: 1.3 t. Menge rückläufig seit 2018 (Antibiogrammpflicht), seit 2019 aber konstant. 


Colistin ist ein uraltes Antibiotikum, was wegen seiner schweren Nebenwirkungen beim Menschen jahrzehntelang kaum mehr angewendet wurde. Inzwischen wird es wieder gebraucht: Besonders manche Enterobacter- und Pseudomonas-Keime auf Intensivstationen sind nur noch auf Colistin sensibel. Alternativen gibt es kaum und wenn, sind sie teuer, in der EU noch nicht zugelassen oder haben andere Nachteile. Deswegen ist Colistin besonders in manchen finanziell nicht so gut ausgestatteten Gesundheitssystemen, aber auch in Deutschland, unverzichtbar geworden. Auch an Mucoviszidose (cystische Fibrose; eine der häufigsten unheilbaren Erbkrankheiten mit Infektneigung der Lunge) erkrankte Menschen brauchen es zur Inhalation und Vorbeugung ihrer potentiell tödlichen Lungenentzündungen. In der Tiermast dient es zur Behandlung von Durchfällen bei aus Profitgründen zu früh von der Muttersau abgesetzten Ferkeln und ist besonders beliebt, weil es auch kurz vor der Schlachtung (bes. von Geflügel) noch eingesetzt werden darf. Verbrauch in der deutschen Tiermast 2020: 60 t, seit 2016 mit kleinen Schwankungen konstant. Diese Menge würde theoretisch ausreichen, um einmal jährlich jeden menschlichen Einwohner der Bundesrepublik zu behandeln. Dänemark, die Niederlande, Indien und China haben den Einsatz von Colistin in der Tierhaltung schon verboten, andere Länder auf freiwilliger Basis durch Impfungen und Hygienemaßnahmen etc. erheblich reduziert. 


Makrolide und Ketolide sind in der Humanmedizin besonders unentbehrlich bei schwer verlaufenden Campylobacter-Infektionen, auch hier wieder bei Kindern, die Fluorochinolone nicht bekommen dürfen. Campylobacter finden sich in hohem Prozentsatz auf konventionell erzeugtem Geflügelfleisch (auf Hähnchenfleisch in 30-54%; auf Putenfleisch 15-37%; lt. Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit 2020) . Es reichen schon geringe Keimmengen aus, um eine ggf. auch schwere Durchfallserkrankung hervorzurufen. Verbrauch in der deutschen Tierhaltung 2020: 61 t, nach Rückgang 2011-2016 wieder leicht ansteigender Verbrauch.


Die vom Bund praktischer Tierärzte 2021 mit Unterstützung von anderen Organisationen (u.a. Tierärztekammern) losgetretene Kampagne "Mein Leben ist in Gefahr", die sich mit einem Bild von treuen Hundeaugen gegen die Reservierung von bestimmten Antibiotika für den Menschen aussprach, hätte gut daran getan, sich für das Leben und Wohlbefinden sowie die Gesundheit von allen Tieren, die sich in menschlicher Obhut befinden, einzusetzen. 


Wir Ärzte gegen Massentierhaltung haben zusammen mit anderen Organisationen, auch der Deutschen Ärztekammer und dem Arzneimittelausschuss der Deutschen Ärzteschaft von den Europaparlamentariern gefordert, den Gebrauch der für die Humanmedizin wichtigsten Antibiotika für den Menschen zu reservieren. Aus unserer Sicht wäre es ein guter Kompromissvorschlag gewesen, diese Reserveantibiotika in begründeten und zu dokumentierenden Einzelfällen für Einzeltiere im Stall oder Haustiere frei zu geben.


Die in hohem Maße für die Resistenzbildung verantwortliche sogenannte "Metaphylaxe", bei der großen Herden überwiegend gesunder Tiere Reserveantibiotika über die Tränke verabreicht werden, wäre so unterbunden worden und somit einer der wesentlichen Eckpfeiler der industriellen Tierhaltung. 66% aller Antibiotika weltweit gehen an landwirtschaftliche Nutztiere, davon fast 90% an Tiergruppen. 


Klar ist aber: 

Das wird nicht ohne Verbesserungen der Haltungs- und Zuchtbedingungen und eine deutliche Reduzierung der Zahl der lebensmittelerzeugenden Tiere gehen. 


Und: 

Ohnehin ist die Tierhaltung weltweit für rund 20% der Treibhausgasemissionen verantwortlich. 

Nur eine viel stärker pflanzenbasierte Ernährung kann Hungerkrisen abwenden. Aktuell werden etwa 80% der weltweit verfügbaren Ackerflächen für den Anbau von Tierfutter bzw. zur Weidehaltung benutzt.


Wie geht es in Deutschland weiter?

Die grün geführten Ministerien für Ernährung und Landwirtschaft, Umwelt und Wirtschaft und Energie werden in diesem Jahr beweisen müssen, dass sie es ernst meinen mit dem ökologischen Umbau der Landwirtschaft und dem Klimaschutz. 


Jetzt sind nämlich die Ausführungsbestimmungen für das Deutsche Tierarzneimittelgesetz in Vorbereitung, die noch 2022 Jahr verabschiedet werden sollen. Sie dürfen und sollten unbedingt über die EU-Regeln hinausgehen, so wie es andere Mitgliedsstaaten vormachen.


Wir werden auch ausdrücklich das Bundesministerium für Gesundheit (mit einem Arzt und Epidemiologen als Minister) ansprechen, sich einzumischen für den wirksamen Schutz unserer Bevölkerung vor multiresistenten Keimen aus der Tierhaltung.



19.5.2022

Gespräch mit Staatssekretärin Dr. Nick im Bundeslandwirtschaftsministerium 

 

Am 19.5.22 sind vier unserer Mitglieder bei Frau Dr. med. vet. Ophelia Nick, Parlamentarischer Staatsekretärin im Ministerium für Landwirtschaft und Ernährung in Berlin eingeladen. Wir haben Gelegenheit, mit ihr und ihren Mitarbeiterinnen über unsere Einwände und Bedenken zu dem Nationalen Eckpunktepapier des BMEL zu sprechen. (s. Aktuelles 1.2.22)


Außerdem diskutieren wir die gerade der EU-Kommission vorliegende Liste der für die Humanmedizin zu reservierenden Antibiotika der EMA, die vorsieht, keine weiteren für die Tiermedizin verbotenen Antibiotika aufzunehmen. Wir fragen, wie es auf diese Weise möglich sein soll, die erklärten Ziele der Rahmengesetzgebung zu erreichen und das Ziel der "Farm-2-Fork"-Strategie der EU umzusetzen. Diese sieht vor, bis 2030 die Gesamtmenge der im Tierstall verabreichten Antibiotika auf 50% zu reduzieren. (s. Aktuelles 17.3.22) 


Wir erfahren, dass die Regierung plant, noch in diesem Jahr die Ausführungsbestimmungen für das Deutsche Tierarzneimittelgesetz zu verabschieden. Wir betonen, wie wichtig es ist, dass der Bundestag eine weitergehende Regulierung beschließt. Deutschland sollte über die wenig ambitionierten EU-Vorschriften hinausgehen und weitere Verbote für Reserveantibiotika in der industriellen Tierhaltung beschließen, wie es andere EU-Länder vorgemacht haben. Das von uns beauftragte Rechtsgutachten zeigt, dass dies möglich und verfassungsrechtlich auch geboten ist. (s. Aktuelles 17.3.22) 


Wir freuen uns über das Angebot, weiter mit Frau Dr. Nick im Austausch zu bleiben. 


17.5.22 

Klares Votum der Bundesärztekammer: 

Vier Antibiotika (-gruppen) für die Humanmedizin reservieren!

EMA-Gutachten mit Rahmengesetz und EU-Vertrag rechtlich nicht vereinbar!


Als Stimme der Humanmedizin hat die Bundesärztekammer mit dem Arzneimittelausschuss der Deutschen Ärzteschaft ein Gutachten zu den Ausführungsbestimmungen der EU-Regulierung 2019/6 und der EMA-Liste der für die Humanmedizin zu reservierenden Antibiotika formuliert. 

Der Verfasser, Prof. Dr. med. Winfried Kern ist Infektiologe aus Freiburg.  


In seinen medizinischen Erwägungen fordert er nach ausführlicher Begründung zusammenfassend: 


"Die folgenden Antibiotika (-gruppen) sollten aufgrund ihrer Bedeutung für die menschliche Gesundheit zurückgestellt werden: Polymyxine, Fluorchinolone und Cephalosporine der 3. und 4. Generation sind von großer Bedeutung als Reserveantibiotika, wenn keine oder nur wenige Behandlungsalternativen existieren. Es besteht aus medizinischer Sicht kein Bedürfnis, drei Klassen von für Menschen relevanten Antibiotika für die Behandlung von Tieren zuzulassen. Ebenfalls sollte Mupirocin in die Liste aufgenommen werden." 


In seinen rechtlichen Erwägungen schreibt Professor Kern zu der EMA-Liste, die das Kriterium C (wesentlicher Bedarf in der Tiermedizin) mit dem Kriterium A (essentiell für die Humanmedizin) und dem Kriterium B (Gefahr der Resistenzbildung) auf eine Stufe stellt: 


"Eine solche Betrachtungsweise wäre jedoch unvereinbar mit der Zielsetzung der Tierarzneimittel-Verordnung (EU) 2019/6, und mit Artikel 168 (1) des Vertrags über die Arbeitsweise der EU (AEUV).  ....... Die Empfehlung der EMA verkennt die durch die Tierarzneimittel-Verordnung und Art. 168 (1) AEUV gebotene Pflicht, eine Abwägung vorzunehmen, die die Interessen der menschlichen Gesundheit hinreichend berücksichtigt und ein hohes Schutzniveau sicherstellt. Somit kann die geplante Durchführungsverordnung nicht auf die Empfehlung der EMA gestützt werden."  


Und hier geht es zu dem Gutachten von Prof. Dr. Winfried Kern, Arzneimittelausschuss der Dt. Ärzteschaft, Bundesärztekammer 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 






16.5.2022

Weitere Proteste gehen an die EU-Kommission


19 europäische Organisationen aus dem Umwelt-, Tier- und Gesundheitsschutz, darunter auch die Ärzte gegen Massentierhaltung, drücken gegenüber der Europäischen Kommission ihre Besorgnis aus: 

Reserveantibiotika müssen für die Humanmedizin reserviert werden. Sie dürfen nicht weiter in der Lebensmittelproduktion angewendet werden, um schlechte Haltungsbedingungen zu kompensieren. 


Und hier die Stellungnahme der 19 internationalen Organisationen (englisch): 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 





11.5.2022

Brüssel: Nur drei Mitgliedsstaaten fordern Colistin-Verbot in der Tierhaltung

Immerhin ist Deutschland dabei


Drei Mitgliedsländer, darunter Deutschland, sprechen sich wenigstens gegen die Anwendung von Colistin im Tierstall aus. 

Martin Häusling, MdE, Vorsitzender des Umwelt-Ausschusses der EU (ENVI) schreibt dazu in seiner Pressemitteilung: 


"Fraktionsübergreifend betonten die Mitglieder (des ENVI), dass der Vorschlag der Europäischen Arzneimittelagentur EMA von der Europäischen Kommission nicht zur Gesetzesvorlage für die Liste der Reserveantibiotika gemacht werden dürfe.  ..... Sollte die EU-Kommission die Liste ohne Änderungen übernehmen, wird der Gesamtansatz der Tierarzneimittelverordnung unterlaufen, entschieden gegen einen routinemäßigen Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung und damit gegen die Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen vorzugehen. Die jetzige Liste schafft sogar einen Anreiz, weitere Präparate in der EU mit diesen Substanzen zuzulassen und damit einen höheren Verbrauch zu erzeugen. ..... Im Ausschuss der Mitgliedsländer haben sich nur drei Mitgliedsländer, darunter Deutschland, für die Aufnahme von Colistin und damit gegen die Übernahme des EMA-Vorschlages eingesetzt. Auch dieser dürfte mehrheitlich von Veterinärmediziner:innen besetzt sein, genauere Angaben zu den Ausschussmitgliedern aus dem Bereich der Humanmedizin blieb die Kommission schuldig."


Hier geht es zur vollständigen Pressemitteilung von Robert Häusling, MdE vom 11.5.22:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 





6.5.2022

Gespräch mit Ronny Meyer, Umweltministerium


Ronny Meyer, Abteilungsleiter Grundsatzfragen im Bundesumweltministerium hat drei unserer Mitglieder zu einem Online-Gespräch eingeladen. Wir erfahren Unterstützung für unser "richtiges und wichtiges Anliegen". Er betont, dass die aktuelle Fleischproduktion so nicht nachhaltig sei. Wir diskutieren Instrumente zur Konsumsteuerung und Änderung der Ernährungsgewohnheiten. Es schlägt eine noch zu planende gemeinsame Veranstaltung zu dem Thema vor. 



1.5.2022

"Als Tiger gesprungen und als Bettvorleger gelandet"

Das Europäische Tierarzneimittelgesetz


Was wollte die EU-Kommission mit ihrem Europäischem Tierarzneimittelgesetz eigentlich erzielen? 

Das schreibt die Kommission selbst im September 21: 


"Wir brauchen einen ganzheitlichen "One-Health-Ansatz". 

"Eine Schlüsselmaßnahme ist, bestimmte Antibiotika für die Humanmedizin zu reservieren, indem ihr Gebrauch für die Veterinärmedizin verboten wird." 

"Die neue EU-Regulierung für tiermedizinische Produkte beinhaltet Maßnahmen, den prophylaktischen Gebrauch von Antibiotika in Tiergruppen zu verbieten und Metaphylaxe eng zu begrenzen." 

"Diese Maßnahmen werden alle Antibiotika betreffen, die nicht für die Humanmedizin reserviert sind und werden deren Gebrauch signifikant reduzieren." 

"Das Ziel ist es, nachhaltigere lebensmittelproduzierende Systeme zu entwickeln und Maßnahmen zur Verbesserung des Tierwohls vorzusehen." 

"Die neue EU-Regulierung für tiermedizinische Produkte gibt einen starken gesetzlichen Rahmen dafür, dass Antibiotika nicht routinemäßig angewandt werden und nicht dazu gebraucht werden, schlechte Hygiene oder Haltungsbedingungen zu kompensieren." 


Und was wird daraus in den Ausführungsbestimmungen? 

Diese lassen bisher nicht erwarten, dass die Ziele des Rahmengesetzes umgesetzt werden. Die Europäische Arzneimittelkommision (EMA) gibt ein Gutachten ab, nach dem kein einziges weiteres Antibiotikum für die Humanmedizin reserviert werden soll. Es fehlt eine Definition, was "routinemäßiger Einsatz" und was "Metaphylaxe" ist bzw. wie diese begrenzt werden sollen. (90% der Reserveantibiotika werden bei Tieren oral verabreicht, woraus sich schließen lässt, dass sie der sogenannten Metaphylaxe dienen.) 


17.3.2022

Proteste gegen die Vorschläge der Europäischen Arzneimittelagentur EMA

Der EU-Ausschuss lehnt sie mit Stimmen aller Fraktionen ab


Lange war die Liste der EMA erwartet worden, die festlegen sollte, welche Antibiotika in der Europäischen Union den Menschen vorbehalten werden sollen. Jetzt liegt sie vor und bleibt weit hinter den Erwartungen und auch den Vorgaben der EU-Verordnung 2019/6 zurück.


Im Grunde könnte man es so zusammenfassen: ES ÄNDERT SICH NICHTS!


Und das ist der Inhalt der Liste der EMA:

  • Auf der Liste der in Zukunft der Humanmedizin vorzubehaltenden Antibiotika findet sich keines, welches in der Tiermedizin aktuell zugelassen ist. Die meisten sind auch außerhalb der EU weder erlaubt noch gebräuchlich.
  • Etliche Antibiotika erfüllen zwar das Kriterium A (in der Humanmedizin nicht oder nur schwer zu ersetzen) und das Kriterium B (Wirkung durch Resistenzbildung gefährdet), aber nicht das Kriterium C (in der Tiermedizin unersetzlich).
  • Insbesondere dürften 4 von 5 der von der WHO als "critically important antimicrobials of highest priority" (CIA-HP) eingestuften Antibiotikaklassen (Cephalosporine der 3. und 4. Generation, (Fluoro-)chinolone, Makrolide und Polymyxine (Colistin)) laut EMA weiter in der Tierhaltung eingesetzt werden. Die Carbapeneme sind als einziges CIA-HP auf der Verbotsliste. Da stehen sie aber schon lange!

 

 

 

 


Wir haben zusammen mit German Watch, der Deutschen Umwelthilfe und der Gesellschaft für ganzheitliche Tiermedizin beim deutschen Ministerium für Landwirtschaft und Ernährung Stellung genommen. Es wird aus unserer Sicht gegen den Anspruch der EU-Verordnung 2019/6 verstoßen, entschieden gegen den routinemäßigen Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung vorzugehen und damit Arzneimittelresistenzen vorzubeugen. 


Deshalb freut es uns auch besonders, dass am 15.3.22 der Ausschuss für Umwelt, Gesundheit und Lebensmittelsicherheit des EU-Parlaments (ENVI) die Liste mit Stimmen aller Fraktionen abgelehnt hat. 


Martin Häusling von den Europäischen Grünen und Mitglied des Ausschusses schreibt dazu am 15.3.22: 


"Die Europäische Kommission kann diesen EMA-Vorschlag nicht übernehmen, wenn sie sich nicht absolut unglaubwürdig machen möchte. Schließlich hat die Kommission selbst noch im September 2021 verkündet und in der heutigen Aussprache wiederholt, dass ‚die Anzahl der antimikrobiellen Mittel, die noch für die Verwendung bei Tieren zur Verfügung stehen sollen, auf das absolute Minimum reduziert werden soll‘. Sieht sie nicht, dass sie mit der EMA-Liste genau das aber nicht tut und dringend nachbessern muss?
Auch wenn das EU-Parlament formal nicht in die weitere Ausarbeitung der Liste eingezogen werden muss, sollte die Kommission die heutige Aussprache als wichtigen Fingerzeig sehen. Fraktionsübergreifend haben sich alle Abgeordneten gegen den EMA-Vorschlag ausgesprochen. Die Mitgliedsländer rufe ich auf, ihrerseits alles dafür zu tun, dass der EMA-Vorschlag nicht zum Gesetzestext wird.“


Hier geht es zur Liste der EMA mit den Vorschlägen zu Reservierung von Antibiotika für die Humanmedizin (engl.):

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 





Hier geht es zu der gemeinsamen Stellungnahme zur WHO-Liste

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 





Weiteres Rechtsgutachten zur Unzulässigkeit von Reserveantibiotika in der industriellen Tierhaltung


In Ergänzung des von uns beauftragten und im Mai 2021 veröffentlichten Rechtsgutachtens der Rechtsanwältin Dr. Davina Bruhn aus der Kanzlei Günther in Hamburg, die auch mit für den Erfolg der berühmt gewordenen "Klimaklage", der erfolgreichen Verfassungsbeschwerde gegen das Klimaschutzgesetz, verantwortlich war, hat jetzt German Watch ein weiteres Rechtsgutachten von Dr. Davina Bruhn veröffentlicht. 

Dieses argumentiert mit den Ähnlichkeiten zwischen der Notwendigkeit des Klimaschutzes und der Minimierung von Antibiotikaresistenzen. Es geht von einer Schutzpflichtverletzung durch den Gesetzgeber aus. 


Hier geht es zu beiden Rechtsgutachten:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 



 

 

 

 

 

 

 

 

 

 



 


1.2.2022

Minimierung der Antibiotika in der Tierhaltung?

Enttäuschung über das Eckpunkte-Papier von Cem Özdemir


Große Hoffnungen lagen auf der neuen Bundesregierung. Der Koalitionsvertrag und die von Steffi Lemke und Cem Özdemir proklamierte "Hausfreundschaft" der beiden Ministerien für Umwelt und Verbraucher bzw.  Landwirtschaft und Ernährung, die erstmalig in den Händen einer Partei (Bündnis 90/Die Grünen) sind, ließen eine echte Transformation der Agrarpolitik erwarten. 

Ein enttäuschendes Eckpunkte-Papier des Ministeriums für Landwirtschaft und Ernährung  (BMEL) vom 7.1.22 setzt hingegen den Kurs der alten Bundesregierung fort und widerspricht damit dem Koalitionsvertrag. Es sollte um nicht weniger als ein "Nationales Konzept zur Minimierung der Antibiotika in der Tierhaltung" gehen. 

In dem Papier fehlen aber konkrete Reduktionsziele für den Einsatz von Antibiotika und ein Verbot der besonders wichtigen Reserveantibiotika. Die vorgeschlagenen Maßnahmen setzen nur die lückenhafte Dokumentationspflicht fort, die bisher versagt hat. Die geplante einfache Erfassung läuft nachweislich fehl, wie eine BMEL-Evaluation (2019) für die Bereiche Geflügel und Mastkälber zeigte, wo seit 2015 keine nennenswerte Reduktion des Antibiotikaverbrauchs und der Therapiehäufigkeit mehr erreicht wird. Das konstatiert das Papier auch selbst. Es sieht aber keine Sanktionsmöglichkeiten von Behörden bei Betrieben mit übermäßigem Antibiotikaverbrauch vor. 
 

Wir haben deshalb zusammen mit den Umweltorganisationen German Watch und Deutsche Umwelthilfe gegen das Papier schriftlich Widerspruch eingelegt.

Zusammenfassend fordern wir: 

• ein klares Reduktionsziel und Bekenntnis zur europäischen Farm-to-Fork-Strategie und dem darin festgehaltenen Ziel zur Senkung von Antibiotika bis zum Jahr 2030 um 50 % 
 

• eine Antibiogrammpflicht bei jedem Antibiotikaeinsatz 
 

• alle Antibiotikaeinsätze bei allen Tieren digital zu erfassen und die Daten umfassend behördlich 
auszuwerten 
 

• ein klares Verbot der Reserveantibiotika als Gruppenmedikation bei Tieren bzw. ein Vorbehalt der 
HP CIA - Antibiotika für den Menschen und Einzeltierbehandlungen 
 

• die Ausgestaltung der Antibiotika-Datenbank mit insgesamt folgenden Rubriken: Tierart und 
Gewicht, Diagnose/ Antibiogrammergebnis, AB, mg, Dauer der Behandlung, Größe des Tierbestandes, Rasse, Haltungsform, Bewertung: rot, gelb, grün. 



Hier geht es zum Eckpunktepapier des BMEL: 

https://www.bmel.de/DE/themen/tiere/tierarzneimittel/eckpunkte-nat-antibiotikaminimierung-tierhaltung.html


Hier geht es zu unserer Stellungnahme:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 





31.1.2022

Neue Analyse zur globalen Belastung mit Antibiotika-resistenten Keimen veröffentlicht 


Die renommierte medizinische Fachzeitschrift "The Lancet" veröffentlicht in diesem Januar eine Studie mit erschreckenden Zahlen für das Jahr 2019: 

Weltweit müssen 4.95 Mio. Tote mit und 1.27 Mio. Tote an Infektionen mit antibiotikaresistenten Keimen angenommen werden. Diese Zahlen stehen in Einklang mit einer Prognose von 2016 (Review on Antimicrobial Resistance), die für 2050 mit 10 Mio. Toten weltweit rechnete. 

Die höchsten Todesraten fanden sich in Sub-Sahara-Afrika und Südasien, was auf  schlechte Hygienebedingungen, fehlende diagnostische Möglichkeiten, mangelnde Regulation und zu einfachen Zugang zu oftmals inadäquaten Antibiotika bei erschwertem Zugang zu wirksamen Mitteln zurückgeführt wird. 

Neben Maßnahmen zur allgemeinen Infektionsprophylaxe, der (Weiter-)Entwicklung von Impfungen, der Anwendung von Antibiotika nur bei richtiger Indikation und der Entwicklung neuer Antibiotika (die auch weniger entwickelnden Ländern verfügbar gemacht werden müssten) konstatieren die Autoren: 

Die Anwendung von Antibiotika außerhalb der Humanmedizin zu reduzieren, ist ein wichtiger möglicher Weg, das Risiko zu senken. Der erhöhte Gebrauch von Antibiotika in der Landwirtschaft ist für Infektionen mit antibiotikaresistenten Keimen beim Menschen als Risikofaktor identifiziert worden. 


Link auf die Studie (englisch): 

https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(21)02724-0/fulltext 


Die deutsche Presse hat berichtet:

https://www.tagesschau.de/ausland/amerika/antibiotika-resistenz-103.html 

https://www.br.de/wissen/antibiotika-antibiotikum-multiresistente-keime-resistenzen-superkeime-krankenhauskeime-100.html 

https://www.zeit.de/gesundheit/2022-01/antibiotikaresistenz-todesfaelle-2019-studie

https://www.berliner-zeitung.de/gesundheit-oekologie/antibiotika-12-millionen-tote-durch-resistente-keime-li.207372 https://www.dw.com/de/antibiotikaresistenz-in-armen-ländern-besonders-gefährlich/a-60498383


19.1.2022

Offener Brief der Ärzte gegen Massentierhaltung an Bundesregierung und Bundestag:

Verbieten Sie die Reserveantibiotika in der industriellen Tierhaltung!


In einem Offenen Brief erinnern wir die Abgeordneten und die Deutsche Bundesregierung an die dringende Notwendigkeit, Reserveantibiotika aus der industriellen Tierhaltung zu verbannen. 670.000 Menschen erkranken jährlich in der EU an multiresistenten Keimen, 33.000 sterben daran. 


Besonders die Praxis der sogenannten "Metaphylaxe", bei der wegen weniger erkrankter Tiere ganze Tierherden mit Antibiotika behandelt werden, führt zu Resistenzbildung von bakteriellen Keimen, die über Nahrungskette und Abwasser, Luft und Dung aus den Ställen zu uns Menschen gelangen. 


Für die Humanmedizin essentiell wichtige Antibiotika, die für die Behandlung von komplizierten Infektionen beim Menschen reserviert bleiben sollten, werden im Tierstall "verschlissen", um das kurze Leben der nicht artgerecht gehaltenen Tiere bis zur Schlachtreife zu verlängern. 


Längst ist bekannt, dass durch eine Veränderung der Haltungsbedingungen, z. B. in kleineren Tiergruppen, durch mehr Platz, Licht und Luft, das spätere Absetzen von Ferkeln und gesündere Tierrassen weniger Antibiotika eingesetzt werden müssen und dass in Produkten aus ökologischer Haltungsform wesentlich weniger Kontaminationen mit multiresistenten Keimen vorkommen. Andere EU-Länder machen es vor!

 

Der neue Deutsche Bundestag wird demnächst die Ausführungsbestimmungen im Deutschen Tierarzneimittelgesetzt beschließen müssen. Dort gibt es die Möglichkeit,  die Anwendung von Reserveantibiotika in der Tierhaltung zu verbieten.


Das von uns in Auftrag gegebene Rechtsgutachten (s. 4.6.2021 unter Aktuelles) der Rechtsanwältin Dr. Davina Bruhn von Mai 2021 sagt dazu: 


Ein Verbot des Einsatzes von Reserveantibiotika in Deutschland wäre     sowohl unions- als auch verfassungsrechtlich zulässig. 
• Darüber hinaus ist ein solches Verbot auch verfassungsrechtlich geboten.


Hier geht es zu unserem Offenen Brief :


Offener Brief an Bundesregierung
zu Reserveantibiotika in der industriellen Tierhaltung
Brief an Politiker_Rechtsgutachten_final.pdf (3.52MB)
Offener Brief an Bundesregierung
zu Reserveantibiotika in der industriellen Tierhaltung
Brief an Politiker_Rechtsgutachten_final.pdf (3.52MB)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 









19.1.2022

BVL-Zoonose-Monitoring 2020


Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) hat im vergangenen Herbst seinen neuesten Bericht "Zoonose Monitoring 2020" herausgegeben. Hier wird über die staatlichen Keim- und Resistenzuntersuchungen auf Lebensmitteln und in Tierställen berichtet. Die Nachweisraten gefährlicher Keime auf tierischen Produkten sind erschreckend, dabei hohe Prozentzahlen multiresistenter Keime. 

Erstmals aufgefallen sind STEC/EHEC in rohem Weizenmehl, die über den Dung auf das Feld gelangen. Vorsicht mit rohem (Kuchen-)Teig! 


Hier einige ausgewählte Ergebnisse: 


Shiga-Toxin bildende E. coli (STEC), beim Menschen auch enterohämorrhagische E. coli (EHEC) genannt 

Nachweisrate in rohem Weizenmehl: 9.1%. 


Salmonellen 

Nachweisraten: Putenschlachtkörper: 15.4%; Hähnchenfleisch: 4.6%.


Campylobacter spp. 

Nachweisraten: Hähnchenfleisch: 54.7%; Putenfleisch: 15-32.7%. 


MRSA (Methicillin-resistente Staphylokokkus aureus) 

Nachweisraten: Hähnchenfleisch: < 20% (gesunken seit 2016 von 25-50%); Schweinefleisch: 13%; Mastkälber und Jungrinder: 10-12%; Rindfleisch 5-8%; Lammfleisch 3-8%. 


ESBL-Keime (Extended Spectrum Beta-Lactamase-Bildner) 

Nachweisraten: Hähnchenfleisch: 33.6%; Putenfleisch: 40%; Schweinehackfleisch: 13.6%. 


Zum ausführlichen Lesen des gesamten Berichts: https://www.bvl.bund.de/SharedDocs/Downloads/01_Lebensmittel/04_Zoonosen_Monitoring/Zoonosen_Monitoring_Bericht_2020.pdf?__blob=publicationFile&v=4  



18.- 23.11.2021 

Internationale Antibiotikawoche 

Wir beteiligen uns an einem Appell von 25 Organisationen an die Politik


Jährlich 10 Millionen Tote durch Resistenzen gegen antimikrobielle Mittel (AMR), lautet die pandemische Prognose der Vereinten Nationen für das Jahr 2050. Gekoppelt daran ein globaler Auftrag: die Entwicklung von Resistenzen einzudämmen und Antibiotika wirksam zu halten. Adressiert ist damit auch der problematische Einsatz von Antibiotika in der industriellen Tierhaltung. Aktuell kann hier politisch viel bewegt werden. 


Wir schreiben gemeinsam mit den anderen Organisationen einen Appell an: 

Die EU-Kommission (von der Leyen, Kyriakides, Jülicher, Zamora Escribano), Julia Klöckner und das BMEL, Jens Spahn und das BMG sowie an die Chefverhandler:innen (Koalitionsverhandlungen) der AG Ernährung und Landwirtschaft sowie Gesundheit und Pflege.



Wichtigste Antibiotika bewahren – stärkere Regulierung (in) der Tierhaltung! Ein human- und veterinärmedizinischer Appell 


Die moderne Medizin ist ohne Antibiotika undenkbar. Ihre Verfügbarkeit zur Behandlung bakterieller Infektionskrankheiten rettet täglich weltweit unzählige Leben. Durch die zunehmende Entstehung und Verbreitung antimikrobieller Resistenzen (AMR) laufen wir aktuell jedoch Gefahr, wirksame Antibiotika zu verlieren – nichts weniger als die globale Gesundheit steht auf dem Spiel. Der hohe und regelmäßige, Resistenzen begünstigende Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung ist deshalb nicht mehr hinnehmbar. 

Eine Bedrohung von pandemischen Ausmaßen 

Schon heute erkranken allein in der EU jährlich 670.000 Menschen an Infektionen durch antibiotikaresistente Erreger, 33.000 Menschen sterben daran. Laut Europäischem Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) ist die Belastung durch Infektionen mit antibiotikaresistenten Bakterien in der europäischen Bevölkerung vergleichbar mit der von Influenza, Tuberkulose und HIV/AIDS zusammen. Für das Jahr 2050 werden jährlich 390.000 durch AMR ausgelöste Todesfälle in Europa und 10 Millionen Todesfälle global prognostiziert. Das ist mehr als die prognostizierte Zahl der durch Krebs und Diabetes verursachten Todesfälle zusammen. Sowohl in der Human- als auch in der Tiermedizin gilt es also, die Bedrohung durch AMR im Sinne des One-Health-Ansatzes, der die Gesundheit von Mensch, Tier und auch Umwelt eng zusammen denkt, viel entschiedener zu bekämpfen. 

Aktuelle Chancen nutzen, um Antibiotika in der Tierhaltung stärker zu regeln 

Wir appellieren an die Europäische Kommission sowie an die zuständigen Ministerien in den Mitgliedstaaten, weitgehende präventive Maßnahmen zu ergreifen und sich dafür bietende Chancen – wie aktuell v. a. im tiermedizinischen Bereich – zwingend wahrzunehmen: 

• Schließen Sie wichtigste, von der WHO als „critically important antimicrobials of highest     priority“ (CIA HP) eingestufte Antibiotika vom Einsatz in der industriellen Tierhaltung aus! Dies ist über die aktuelle Ausgestaltung eines neuen Antibiotika-Rechtsakts (Art. 37 (5) der VO (EU) 2019/6) möglich. Schaffen Sie dabei zugleich die Möglichkeit der Einzeltierbehandlung für u. a. Haustiere (z. B. über zwei separate Listen). 

 • Schließen Sie CIA HP auch über die nationalen Antibiotika-Resistenzstrategiepläne konsequent für den Einsatz in der industriellen Tierhaltung aus! Fokussieren Sie sich im Zuge der aktuellen Revision der EU-Tierschutzgesetzgebung sowie auch nationaler Prozesse zum Umbau der Tierhaltung insbesondere auf den Aspekt der Tiergesundheit über Zucht, Haltung und Fütterung! Dazu gehören auch Ansätze zur innerbetrieblichen sowie allgemeinen Bestandsreduktion.


Unterzeichner: 

Ärzte gegen Massentierhaltung, German Watch, MEZS (Mein Essen zahle ich selbst), PAN Germany, Pro Vieh, Apotheker ohne Grenzen, Initiative Bielefelder Hausärzte, Deutsche Umwelthilfe, Gesellschaft für ganzheitliche Tiermedizin, Ärztenetz Bielefeld, BUKO Pharma-Kampagne, Gesunde Erde-Gesunde Menschen, Compassion in World Farming, Tierärzte für verantwortbare Landwirtschaft, Mukoviscidose e.V., League for Pastoral Peoples and Endogenous Livestock Development, Misereor, Greenpeace, Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte, Cystic Fibrosis Europe, Difäm e.V. , MRSA Action UK, Missionsärztliches Institut Würzburg, Verbraucherzentrale Bundesverband.



Unsere gemeinsame Kampagne wird durch viele prominente Stimmen unterstützt:


Dr. Eckart von Hirschhausen, Arzt und Fernsehmoderator sowie Gründer der Stiftung Gesunde Erde – Gesunde Menschen: 

 „Es gibt immer mehr resistente Keime. Expertinnen und Experten schätzen, dass zehn Millionen Menschen bis zum Jahr 2050 an diesen resistenten Keimen sterben könnten. Antibiotikaresistenzen sind eine der größten Herausforderungen für die globale Gesundheit. Daher fordern wir auf der europäischen und nationalen Ebene, Reserveantibiotika das sein zu lassen, was der Name sagt: Reserve. Sie sollten im Sinne eines One-Health-Ansatzes sinnvoll verwendet werden und nicht in der industriellen Tierhaltung zum Einsatz kommen.“ 


Dr. Jana Schroeder, Infektiologin und Chefärztin des Instituts für Krankenhaushygiene und Mikrobiologie der Stiftung Mathias-Spital: 

 „Die meisten Menschen sterben nicht am Infarkt, sondern am Infekt! Wir müssen dafür Sorge tragen, dass diese wertvollen Medikamente auch in Zukunft noch ihre Wirksamkeit behalten und eingesetzt werden können.“ 


Sarah Wiener, Europaabgeordnete, Vorsitzende der AMR Interest Group im Europaparlament, Köchin: 

„Um Antibiotikaresistenzen wirkungsvoll vorzubeugen, müssen wir die Tierhaltung grundlegend reformieren und dieser Prozess muss zwingend der Zucht beginnen. Es braucht aber auch strengere Gesetze, vor allem für den Einsatz von Reserveantibiotika: Diese müssen ausschließlich den Menschen vorbehalten sein - mit strikten Ausnahmen nur für die Einzeltierbehandlung, zum Bespiel bei Haustieren.“ 


Tiemo Wölken, gesundheitspolitischer Sprecher der Europa SPD und Co-Vorsitzender der Antibiotika-Fachgruppe im Europaparlament: 

„Das Problem der Antibiotikaresistenzen muss vor allem politisch gelöst werden. Wir haben es hier in der Hand gesetzliche Regelungen zu schaffen, um den Einsatz von Antibiotika in der industriellen Tierhaltung weiter zu senken und auch deutlich weniger notwendig zu machen. Die allerwichtigsten Antibiotika für den Menschen müssen dabei besonders geschützt werden." 


Rupert Ebner, Tierarzt für Tiere in der Landwirtschaft und Autor des Buches "Pillen vor die Säue": „Antibiotika dürfen keine Betriebsmittel in der Tierhaltung sein - in unser aller Interesse. Deshalb müssen wir den Landwirten Mittel in die Hand geben und Wege aufzeigen, Tiere ohne Antibiotika aufziehen und halten zu können."


Fred Willitzkat, praktizierender Tierarzt, Vorsitzender von Tierärzte im Notdienst International e.V. : 

„Den Einsatz von Antibiotika in der industriellen Tierhaltung müssen wir in der Veterinärmedizin stark reduzieren, wollen wir diese wertvolle Medikamentengruppe nicht verlieren. Zur Tiergesundheit gehört auch die Reform der heute dominierenden Tierzucht und -haltung. Tierbesatzdichten und -bestände sind deutlich zu reduzieren. Und auch im Haustiersektor erfordert nicht jede Krankheit, nicht jede Operation eine Antibiose. Ganz im Gegenteil: gerade ohne Antibiotika lassen sich oftmals sehr viel bessere Behandlungserfolge erzielen als mit.“



German Watch informiert hierzu (mit kurzem Video von Eckhart von Hirschhausen):

https://www.germanwatch.org/de/antibiotika-appell


Die Deutsche Umwelthilfe hat ein Faktenpapier Antibiotika zusammengestellt:

https://www.duh.de/fileadmin/user_upload/download/Projektinformation/Naturschutz/Massentierhaltung/211117_DUH_Faktenpapier_Antibiotika.pdf 


Der Spiegel und die Süddeutsche Zeitung haben am 17.11.21 berichtet:

https://www.spiegel.de/wirtschaft/reserveantibiotika-organisationen-fordern-verbot-in-industrieller-tierhaltung-a-5852f1b9-9b05-4df4-8368-79026e6c4731 

https://www.sueddeutsche.de/politik/eu-organisationen-keine-reserveantibiotika-fuer-tiere-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-211117-99-37031



16.11.21 

Kampagne zum Erhalt des Reserveantibiotikums Colistin für die Humanmedizin 


Die international tätige Nichtregierungsorganisation Health Care Without Harm ruft Gesundheitsfachkräfte weltweit auf, sich im Netz einer Kampagne für den Erhalt von Colistin für die menschlichen Gesundheitsversorgung anzuschließen. 

Wir haben schon vor Jahren auf den Missstand und die Gefahren hingewiesen. Colistin ist ein Antibiotikum, dass aufgrund seiner potentiellen Nebenwirkungen von der Humanmedizin lange Zeit nicht mehr eingesetzt wurde, aber in den letzten Jahren immer wieder "aus dem Giftschrank" geholt werden muss, wenn besser verträgliche Antibiotika aufgrund von Resistenzen bei schwerkranken Patienten nicht mehr wirken. Es dient auch zur Therapie und Prophylaxe von Atemwegsinfektionen bei Mukoviszidose (cystischer Fibrose) einer Erbkrankheit, die u. a. besonders anfällig für solche Infektionen macht und wo die Erkrankten sehr oft Antibiotika bekommen müssen. 

Dieses Medikament wird im Rahmen der sogenannten Metaphylaxe in kaum vorstellbaren Mengen v. a. in der Schweine- und Geflügelaufzucht eingesetzt, so   z. B. um Durchfallerkrankungen bei Ferkeln zu verhindern, die aus Profitgründen viel zu früh von der Muttersau getrennt werden. 

Um die Dimension besser abzuschätzen: Wir haben vor einigen Jahren schon errechnet, dass die jährlich in  deutschen Ställen verabreichte Menge Colistin ausreichen würde, um die gesamte menschliche Bevölkerung Deutschlands jedes Jahr einem kompletten Behandlungszyklus zu unterziehen

Seit 2015 ist bekannt, dass sich weltweit eine Colistin-Resistenz in Bakterien verbreitet (mcr-1),  die sowohl über Vererbung an die nächste Bakteriengeneration weitergegeben werden kann als auch über mobile Genschnipsel (Plasmide) auf andere Bakterien übertragbar ist. 

Es ist unerträglich, dass dieses absolute Reserveantibiotikum im Stall "verschlissen" wird! 


Deshalb, Gesundheitsfachkräfte, hier unterschreiben und auch den Link weitergeben: 

https://noharm-europe.org/colistin-schuetzen 

Video zu dem Thema (englisch): 

https://www.youtube.com/watch?v=BlpXhLbwWCg



16.9.21

Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe ohne Begründung abgewiesen 

Forderung nach einem Moratorium für weitere industrielle Tierhaltungsplätze 

Es geht weiter nach Straßburg


Da bleibt man fassungslos: Nicht einmal eine Begründung gewährt das Verfassungsgericht den 33 Beschwerdeführern (davon 8 aus den Reihen unseres Vereins). Die ausführliche Klageschrift hatte die vielen negativen Aspekte der industriellen Tierhaltung gründlich beleuchtet  (siehe Eintrag unter 12.8.21). 

 Aber wie schreibt unser Bevollmächtigter Rechtsanwalt Dr. Christian Sailer: 

"Wir schütteln den Staub von Karlsruhe von uns  ab und ziehen weiter nach Straßburg". 

Demnächst wird eine Beschwerde vor dem Europäischen Menschengerichtshof in Straßburg eingereicht!



18.9.21 

Das EU-Parlament hat über das Tierarzneimittel-Gesetz abgestimmt: 

Die Interessen der Agrarlobby stehen nun über der Gesundheit der Menschen

Das ist ein Desaster für die One-Health-Politik in der europäischen Union!

Wir haben zusammen mit diversen anderen Organisationen gegen diese Entscheidung gekämpft.


Leider hat das EU-Parlament in dieser Woche die neue EU-Tierarzneimittel-Verordnung ohne Berücksichtigung des Vetos (s. u. unter 20.8.2021) verabschiedet.

In diesem Veto war gefordert worden, eine Liste der für die Humanmedizin zu reservierenden Antibiotika (Reserveantibiotika gemäß der WHO: Critically important antimicrobials of highest priority) zu erstellen, die aber unter besonderen Umständen für die Behandlung von Einzeltieren, ob im Haus oder Stall, weiter zur Verfügung stehen sollten. Dies hätte die gefährliche und weitverbreitete Praxis unterbunden, mittels sogenannter "Metaphylaxe" großen Gruppen von großenteils gesunden Tieren Reserveantibiotika zu verabreichen. Bei dieser Methode werden die größten Mengen an Antibiotika verabreicht und es entstehen die meisten resistenten Keime.


Was bedeutet das nun?


  • Der vom Agrarausschuss auf Initiative der Grünen vorgeschlagene Kompromiss zwischen den Interessen der menschlichen Gesundheit und denen der Tierhalter wurde verworfen.
  • Wenn jetzt eine Liste der für die Humanmedizin zu reservierenden Antibiotika erstellt wird, muss berücksichtigt werden, dass dadurch keine Gefährdung des "Tierwohls" entsteht.
  • Da der Begriff "Tierwohl" schwammig und weit interpretierbar ist, muss damit gerechnet werden, dass viele für die Humanmedizin essentielle Reserveantibiotika für die industrielle Tierhaltung weiter zur Verfügung stehen und auch in Zukunft in großer Menge im Stall missbraucht werden, um Mängel bei Haltung und Zucht auszugleichen.
  • Antimikrobielle Stoffe, die ausschließlich dem Menschen vorbehalten würden, stünden dann auch für die Behandlung von Einzeltieren (ob Haustier oder in der Lebensmittelproduktion) nicht zur Verfügung.
  • Schon allein durch die Tatsache, dass bestimmte "minor species" (Kaninchen, Meerschweinchen, Reptilien....) gängige Nicht-Reserveantibiotika nicht vertragen, dürften manche Reserveantibiotika-Klassen durch das neue Gesetz nicht für die Humanmedizin reserviert werden. Wäre wie vorgeschlagen eine Einzeltier-Behandlung ausgenommen worden, hätte dies kein Problem dargestellt.

 

 

 

 


Auch die Bundesärztekammer hat sich in einem Brief an alle EU-Abgeordneten gewandt und ein Verbot der Reserveantibiotika in der Tierbehandlung bis auf absolute Ausnahmefälle gefordert:


"Die Europäische Kommission hat aus Sicht der Ärzteschaft völlig unzureichende Kriterien für Reserveantibiotika erarbeitet, die ausschließlich für die Behandlung von Menschen vorgesehen werden sollen. Die Bundesärztekammer fordert deshalb in einem Schreiben an die EU-Abgeordneten eine Überarbeitung der vorgelegten Kriterien. In der bisherigen Form führen sie faktisch dazu, dass der wirtschaftliche Nutzen der betreffenden Antibiotika für die Tierhaltung über die Frage des Schutzes der menschlichen Gesundheit entscheiden kann."



So sagte Bundesärztekammer-Präsident Dr. Klaus Reinhardt vor der Abstimmung des EU-Parlamentes über die geplante Umsetzung der EU-Tierarzneimittelverordnung Mitte September:


"Die Bundesärztekammer unterstützt deshalb ausdrücklich, dass die Europäische Union den Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung mit der Tierarzneimittelverordnung begrenzen will. Die Pläne für die konkrete Umsetzung der Verordnung bieten aber zu viele Schlupflöcher und sind nicht geeignet, die menschliche Gesundheit vor resistenten Erregern zu schützen. Es geht hier um Menschenleben. Es steht zu befürchten, dass es bald keine wirksamen Reserveantibiotika für die Behandlung von schweren Erkrankungen bei Menschen mehr geben wird.“


Der gesamte Text der Stellungnahme der BÄK findet sich hier:

https://www.bundesaerztekammer.de/presse/pressemitteilungen/news-detail/lebensrettende-reserveantibiotika-ausschliesslich-menschen-vorbehalten/



Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen, kommentiert die Parlamentsentscheidung folgendermaßen:


„Wenn das mal nicht ins Auge geht. Mit seinem Votum hat das Europäische Parlament der EU-Kommission grünes Licht gegeben für die Erarbeitung der Liste derjenigen Antibiotika, die ab Januar 2022 als Reserveantibiotika allein der Behandlung von Menschen vorbehalten sein werden. Alle Stoffe, die auf dieser Liste landen, sind dann radikal für alle Tiere, egal welcher Spezies und welcher Haltungsform, gesperrt. Dieser Ansatz kann nicht allen gerecht werden - Tiere oder Menschen, eine Seite wird auf der Strecke bleiben: Kommen nur wenige Antibiotika zur Liste der Reserveantibiotika, dann droht die weitere Verwendung in Mastbetrieben und damit auch eine weiter fortschreitende Resistenzentwicklung. Werden hingegen viele Antibiotika als Reserveantibiotika für den Menschen reserviert, so werden viele Tierärzte umdenken und so mancher Haustierhalter möglicherweise den Verlust seines Tieres beklagen müssen. Der Vorschlag der Grünen sah einen guten Kompromiss zwischen Human- und Veterinärmedizin vor. Er hätte strenge Kriterien für die Bestimmung der Reserveantibiotika angelegt, den Einsatz dieser Reserveantibiotika in der Gruppenbehandlung von Tieren untersagt und gleichzeitig die Behandlung einzelner Tiere, wie Haustiere, ermöglicht. Dass sich nun eine Mehrheit der EU-Parlamentarier für den Kommissionsvorschlag ausgesprochen hat - trotz der zahlreichen Unterstützerbekundungen von Ärzteschaft und Umweltverbänden für den Gegenvorschlag - führe ich vor allem auf die großangelegte Lobbykampagne des Bundesverbandes praktizierender Tierärzte (bpt) zurück. In einer beispiellosen Kampagne instrumentalisierte die Organisation Haustierbesitzer für ihre Zwecke, operierte mit falschen Behauptungen, und zwar basierend auf Spekulationen über die künftige Ausgestaltung der Reserveliste. Es erstaunt nicht, dass sich der bpt Seite an Seite mit der altbekannten Agrarlobby aus Bauernverband, Copa Cogeca und Konservativen ins Zeug gelegt hat. Aber es schmerzt - jetzt einige mit dem Thema vertrauten Menschen, zukünftig aber viele Tiere und Menschen.“


Hier das sehr lesenswerte von Martin Häusling in Auftrag gegebene Gutachten von Reinhild Benning und Dr. Andreas Striezel zu Reserveantibiotika bei Tieren, die der Lebensmittelgewinnung dienen:

https://www.martin-haeusling.eu/images/STUDIE_Reserveantibiotika_bei_Tieren_die_der_Lebensmittelgewinnung_dienen_BENNING_STRIEZEL_sep2021.pdf



Hier eine Stellungnahme von Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH:


„Das EU-Parlament hat es versäumt, die Gesundheit von Menschen endlich über die Profitinteressen der Fleischindustrie zu stellen. Die konservativ-liberale Mehrheit setzt das Herumeiern der EU-Kommission fort und riskiert damit, dass Reserve-Antibiotika wie bisher auch massenhaft ins Futter und Wasser gemischt und an Zehntausende Tiere in industriellen Massentierhaltungen verabreicht werden. Die EU-Kommission hat noch immer keine Liste vorgelegt, welche Antibiotikawirkstoffe in Europa für Menschen vorbehalten werden sollen. Außerdem befreit sie Fleischproduzenten von der Nachweispflicht, dass sie versucht haben, mit besserer Haltung, Zucht und Fütterung die Gesundheit der Tiere zu stabilisieren, bevor sie diese mit Antibiotika vollstopfen dürfen. Die Entscheidung heute legitimiert den Missbrauch von Reserve-Antibiotika bei Tieren, die bei besserer Zucht und Haltung gar keinen massenhaften Antibiotikaeinsatz nötig hätten. Die EU-Abgeordneten vergrößern damit das Risiko für die Ausbreitung antibiotikaresistenter Erreger, die über das Fleisch behandelter Tiere auch auf Menschen übertragen werden und im Krankheitsfall lebensrettende Antibiotika ausschalten können. Die neue Bundesregierung kann und muss nach der Wahl der Gesundheit von Menschen endlich Vorrang einräumen und Reserve-Antibiotika in der Massentierhaltung verbieten.“


Was können wir tun?

Wie unser Rechtsgutachten (s. Link unter 4.6.2021) gezeigt hat, sind die Regierungen der Mitgliedsstaaten sehr wohl berechtigt, über die EU-Vorgaben hinauszugehen und weitergehende Rechtsvorschriften zu erlassen. Der deutsche Gesetzgeber ist darüber hinaus verpflichtet, zur Aufrechterhaltung eines funktionierenden Gesundheits- und Sozialsystems ähnlich wie in der Covid 19-Pandemie Maßnahmen zu treffen, die durch ein Verbot von Reserveantibiotika in der Tierhaltung das weitere Auftreten und die Verbreitung von antibiotikaresistenten Keimen verhindern. In acht Tagen ist Bundestagswahl. Das neue Parlament wird über die nationale Umsetzung der neuen EU-Gesetzgebung entscheiden. Informieren Sie sich über die Wahlprogramme der Parteien und sprechen Sie das Thema an.



20.8.2021

Desinformations-Kampagne gegen das Verbot von Reserveantibiotika 

Einige Tierärzteverbände laufen Sturm 


Der Bund praktizierender Tierärzte (BpT) hat eine Kampagne losgetreten, die mit Unterschriftenlisten in Tierarztpraxen und online gegen ein Verbot von Reserveantibiotika in der Tierhaltung mobilisiert. Andere Tierärzteverbände wie sogar die Landestierärztekammer Niedersachsen und die Bundestierärztekammer haben zu einer Beteiligung an der Kampagne aufgerufen. 

Die Kampagne wird sehr emotional geführt und appelliert mit treuen Hundeaugen an die Haustierhalter: "Mein Leben ist in Gefahr!"  Leider haben schon viele so mobilisierte Tierfreunde unterschrieben.

Dr. Siegfried Moser, Präsident des BpT: "Tierhalter müssen erfahren, was in Brüssel weitgehend im Verborgenen vor sich geht und welche Konsequenzen die zu befürchtende Entscheidung für ihre Tiere haben wird. Fakt ist, dass das Europäische Parlament wissenschaftliche Fakten ignoriert und nicht nur, wie vorgegaukelt wird, Nutztiere von einem Anwendungsverbot betroffen wären, sondern alle Tierarten." 

Machen Sie sich selbst ein Bild

Hier geht es zu der Desinformationskampagne:

https://www.change.org/p/europ%C3%A4ische-parlament-eu-will-weitreichendes-antibiotikaverbot-f%C3%BCr-tiere-gefahr-f%C3%BCr-unsere-tiere 


Hintergrund: Wie wir am 14.7.21 berichtet haben, wird im September das Europäische Parlament final über die neue Tierarzneimittelgesetzgebung entscheiden. Im Juli wurde hat Martin Häusling,  deutscher Europaabgeordneter der Grünen, im Ausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (ENVI) ein Veto gegen einen delegierten Rechtsakt eingelegt. Dieses Veto wurde mehrheitlich angenommen. Es richtet sich im Wesentlichen dagegen, die Praxis der Verabreichung von Reserveantibiotika (nach der Definition der WHO: "critically important antimicrobials of highest priority") an Tiergruppen weiter zu erlauben, wenn ansonsten "das Tierwohl" gefährdet wäre. Seine wesentliche  Begründung: Der Begriff "Tierwohl" ist ein viel zu schwammiger Begriff.  Es würde sich so an der Praxis der industriellen Tierhaltung nichts ändern, Reserveantibiotika massenhaft im Rahmen der sogenannten "Metaphylaxe" an überwiegend gesunde, aber nicht artgerecht gehaltene Tiere zu verabreichen. Ausdrücklich wird in diesem Veto nämlich gefordert, dass Einzeltiere weiter mit diesen Substanzen behandelt werden dürfen, wenn es notwendig ist! 

Die Kampagne gewisser Tierärzteorganisationen beruft sich also nicht nur auf falsche Fakten, sondern ist auch leicht zu durchschauen. Die Leiden der Tiere in der industriellen Tierhaltung und die von dieser Praxis ausgehenden Gefahren für die Gesundheit von Tier und Mensch liegen der Tierärzte-Lobby nicht so nahe, wie die wirtschaftlichen Interessen der besser verdienenden Kollegen, die an jedem Verkauf von Antibiotika an die Massentierställe mitverdienen.  


Was haben wir schon unternommen? 

Am 17.8.21 ist ein offener Brief von verschiedenen Organisationen, u. a. von Ärzte gegen Massentierhaltung an die Generaldirektion Gesundheit und Lebensmittel der EU gegangen, der nachdrücklich darum bittet, zur Klarstellung und Versachlichung der Diskussion beizutragen. Inzwischen wurden Vertreter von uns zur Diskussion mit der EU-Kommission eingeladen.

Hier geht es zu dem offenen Brief:

https://germanwatch.org/sites/default/files/Offener%20Brief_Einsatz%20von%20CIA%20HP%20in%20der%20Tierhaltung_18.08.2021.pdf



Ärzte gegen Massentierhaltung hat zusammen mit der Deutschen Umwelthilfe (DUH) ein juristisches Kurzgutachten in Auftrag gegeben, das aufzeigt, dass mit dem Einspruch von Martin Häusling gerade kein Behandlungsverbot von Einzeltieren mit bestimmten antibiotischen Einzelstoffen angestrebt wird, sondern der bisher nicht limitierte Einsatz von Reserveantibiotika künftig verboten wird zur Behandlung systembedingt sehr großer Tiergruppen in industriellen Tierhaltungen, deren Gesundheit mit anderen Maßnahmen stabilisiert und deutlich verbessert werden muss. 

Hier geht es zu dem Gutachten:

https://www.duh.de/fileadmin/user_upload/download/Pressemitteilungen/Naturschutz/Landwirtschaft/210816_Kurzgutachten_Tierarzneimittelverordnung_01.PDF


Was können Sie tun?

Informieren Sie sich gut!

Unterschreiben Sie nicht die oben genannte Kampagne der Tierärzteorganisationen!

Schließen Sie sich hier der Online-Gegenkampagne an: 

https://www.change.org/p/europäisches-parlament-retten-sie-die-reserveantibiotika-retten-sie-zukunft-der-medizin



12.8.2021

Verfassungsbeschwerde eingereicht  

Moratorium gegen neue industrielle Tierhaltungsplätze

Acht unserer Mitglieder sind unter den 33 Beschwerdeführern


Am heutigen Tag wird eine Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe eingehen, die fordert, Vorkehrungen zu treffen, dass keine weiteren Tierhaltungsbetriebe genehmigt werden, 


  • in denen nicht durch angemessene Haltungsbedingungen der Krankenstand der Tiere so niedrig bleibt, dass der Einsatz von Antibiotika die Ausnahme bleibt und nur stattfindet, wenn andere therapeutische Maßnahmen ungeeignet sind. 
  • Ferner sollen Ställe nicht mehr genehmigt werden, die über keine ausreichenden Weideflächen bzw. solche zur umweltverträglichen Ausbringung der anfallenden Gülle verfügen und 
  • die weniger als 50% des Futters von betriebseigenen Flächen beziehen. 
  • Sofern diese Betriebe bereits genehmigt sind, sollen sie mittelfristig in Betriebe überführt werden, welche die Bedingungen erfüllen.

 

 

 

 

 


Die Beschwerdeschrift wurde von dem Rechtsanwalt Dr. Christian Sailer aus Marktheidenfeld erstellt. 

Wegen der zu erwartenden Dauer des Verfahrens und der aktuellen Planung von 3.2 Millionen neuen Tierhaltungsplätzen in Deutschland wird auch ein Antrag auf einstweilige Anordnung gestellt. 


Die 33 Beschwerdeführer sind Betroffene aus verschiedenen Gegenden Deutschlands, so auch Anwohner von existierenden oder geplanten Großställen.

 

Unsere Gründungsmitglieder Dr. Gerd-Ludwig Meyer, Nephrologe aus Nienburg, Dr. Jutta Weinmann, Zahnärztin aus Oldenburg und Dr. Imke Lührs, Internistin und Rheumatologin aus Bremen sind neben weiteren Mitgliedern der Ärzteinitiative dabei. 

Sie sollen hier kurz zu Wort kommen. 


Dr. Gerd-Ludwig Meyer: 

"In Summe hatten wir in den vergangenen 20 Jahren sicherlich die gleiche Anzahl von Toten aufgrund der Entwicklung resistenter Keime, wie wir sie nun aufgrund von Covid-19 beklagen müssen, mit dem Unterschied, dass wir hier keine teuren Lockdowns oder ähnliches hätten anordnen müssen, lediglich Verbote und eine andere Agrarpolitik wären notwendig gewesen, um diese Toten zu vermeiden. Deswegen nehmen wir den Staat und die verantwortlichen Politiker in die Pflicht und beschuldigen sie der Verletzung Ihrer Schutzpflicht, wie sie im Grundgesetz verankert ist."

 

Dr. Jutta Weinmann:

" Die Tierhaltung trägt weltweit in einem erheblichen Maße (laut UN: 15%) zu den Treibhausgasemissionen bei, und das schon ohne die Einrechnung der vor- und nachgelagerten Bereiche (Futtermittelimport, Transporte, Schlachtung etc.). Das vor allem in der Rinderhaltung entstehende besonders klimaschädliche Methan wird durch die nicht weideabhängige eiweißreichere Fütterung der Tiere vermehrt gebildet. Hinzu kommt, dass die CO2-Speicherung in Pflanzen und Boden durch die Rodung von Wäldern für die Tierfutterproduktion wegfällt. Eine Reduktion der Tierhaltung ist zur Verhinderung einer weiteren Erderwärmung mit ihren gesundheitlichen Folgen für die gesamte Weltbevölkerung unerlässlich."  


Dr. Imke Lührs: 

"Die Gülle und Exkremente der mit Antibiotika behandelten Tiere sowie die Abwässer aus Ställen und Schlachthöfen enthalten neben multiresistenten Keimen, die so in den Boden gelangen, auch Antibiotika-Rückstände oder deren Abbauprodukte, die im Ackerboden Veränderungen der Mikrobioms bzw. das Entstehen von neuen bakteriellen Mutationen begünstigen. Die Überdüngung des Ackerbodens mit mehr Stickstoff, als er aufnehmen kann, führt zu steigendem Nitrat-Eintrag in unser Grundwasser. Schon jetzt sind viele Trinkwasser-Entnahmestellen über den zulässigen Nitrat-Höchstwert belastet und das entnommene Wasser muss mit weniger belastetem Trinkwasser vermischt werden. Neben Ammoniak, das Atemwegsreizungen und über die Luft eine Überdüngung der Böden verursacht, enthält die Abluft von Ställen auch durch multiresistente Bakterien belastete Aerosole, die sich über Böden und Oberflächen sowie direkt auf Menschen auswirken. Auch wegen dieser Bedrohungen unserer Gesundheit habe ich mich den Beschwerdeführern vor dem Bundesverfassungsgericht angeschlossen." 


Die Klageschrift sowie der Antrag auf einstweilige Anordnung sind hier: 

http://www.verfassungsbeschwerde-massentierhaltung.de 



20.7.2021

Deutsche Umwelthilfe: 3 Millionen neue Tierplätze in Deutschland in Planung


Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) berichtet: In Deutschland sind über 3 Millionen neue Tierplätze geplant in Form von sehr großen Massentierhaltungen mit bis zu 460.000 Hähnchen und 34.000 Schweinen in einem Bestand!

Je größer die Tierhaltung, desto höher der Antibiotika-Verbrauch! Je mehr Tierhaltung in dieser Form, desto mehr schädliche Wirkungen auf unseren Boden, unser Trinkwasser, unsere Luft und nicht zuletzt das Klima!


Bitte beteiligen Sie sich an der Mail-Aktion der DHU an die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel und fordern ein Moratorium für den Bau neuer Tierställe.


Hier der Link auf die Aktion: https://www.duh.de/massentierhaltung/


14.7.2021

Deutsches Tierarzneimittelgesetz ohne Regelungen für Reserveantibiotika in der industriellen Tierhaltung verabschiedet 

Die kommenden EU-Regelungen sind abzuwarten 

Veto im Agrar- und Umweltausschuss des Europaparlaments angenommen



Am 24. Juni 2021 hat der Bundestag das neue Tierarzneimittelgesetz beschlossen. Es wird am 28. Januar 2022 in Kraft treten. Von diesem Tag an wird auch eine noch nicht in ihren Ausführungsbestimmungen verabschiedete EU-Verordnung gelten, die das Recht für Tierarzneimittel neu regelt. 

 

Das deutsche Tierarzneimittelgesetz regelt bedauerlicherweise nicht im Einzelnen, welche Reserveantbiotika (RAB) für die Anwendung allein der Humanmedizin vorbehalten werden sollen. Diese können nur später noch durch eine Rechtsverordnung eingeschränkt oder verboten werden. 

 

Damit wird eine wichtige Entscheidung in die nächste Legislaturperiode vertagt. Offenbar will der deutsche Bundestag der ausstehenden EU-Regelung nicht vorgreifen und dabei möglicherweise über die EU-weiten Bestimmungen herausgehen.

 

Die Stellungnahme unseres Vorstandsmitglieds Dr. Imke Lührs bei der Anhörung und die weitere Diskussion des Tierarzneimittelgesetzes im Ausschuss für Landwirtschaft und Ernährung des Deutschen Bundestages am 7. Juni 2021 ist im Übrigen hier nachzulesen: https://www.bundestag.de/ausschuesse/a10_Ernaehrung_Landwirtschaft/anhoerungen/843490-843490  


Völlig klar ist: Was nach der Sommerpause im EU-Parlament beschlossen werden wird, bindet die Mitgliedsstaaten. Allerdings könnten diese durchaus über die EU-Regelungen hinausgehen, wie es einzelne schon tun, so z. B. Dänemark.

 

Das von uns beauftragte Rechtsgutachten vom 17. Mai 2021 (siehe unten 4.6.2021) führt im Übrigen aus, dass solche weitergehenden nationalstaatlichen Regelungen nicht nur möglich, sondern in Deutschland auch verfassungsrechtlich geboten sind.  

 

In Brüssel werden nach der Sommerpause im Europäischen Parlament die Weichen gestellt: In den Ausführungsbestimmungen der schon beschlossenen, eher allgemein gehaltenen Regelung (EU) 2019/6 wird dann festgelegt, ob und wie Reserveantibiotika für die Humanmedizin reserviert werden sollen. Der bisher vorliegende Vorschlag sah scheunentorgroße Schlupflöcher für die Anwendung von RAB in der industriellen Tierhaltung vor, die durch den (in diesem Zusammenhang fast schon zynisch gebrauchten) Begriff des zu schützenden Tierwohls ("animal welfare") offen gehalten werden sollten.  


Seit dem 13. Juli 2021 sind wir vielleicht einen Schritt zum Erfolg weiter: Der Agrar- und Umweltausschuss des Europäischen Parlaments ist dem Veto des deutschen EU-Abgeordneten und agrarpolitischen Sprechers der Grünen, Martin Häusling, gefolgt, den Vorschlag der Europäischen Kommission zu überarbeiten, so dass die von der WHO global als am wichtigsten eingestuften Antibiotika (im Original: "critically important antimicrobials of highest priority") nicht mehr für die Gruppenbehandlung eingesetzt werden können und nur in streng geregelten Einzelfällen angewendet werden dürfen. 

Auch die Bundesärztekammer und der Weltärztebund haben in unserem Sinne interveniert.  

Wir Ärzte gegen Massentierhaltung haben dieses Veto zusammen mit verschiedenen Organisationen (Umwelt, Verbraucherschutz, Tierärzte und Patienten) in einem Brief an die Ausschussmitglieder unterstützt.

Nun muss nach der Sommerpause das EU-Parlament entscheiden. 



Das Veto selbst (englisch), die Pressemitteilung von Martin Häusling vom 13. Juli 2021 und sein Positionspapier vom 26. Juni und 13. Juli 2021 finden sich hier:  

https://www.martin-haeusling.eu/presse-medien/pressemitteilungen/2757-unzureichender-vorschlag-erstmal-gestoppt-anwendungsbereich-von-reserveantibiotika-streng-reglementieren.html

https://martin-haeusling.eu/images/210706_Draft_resolution_-_Objection_DA_on_antimicrobials_2021.pdf

https://www.martin-haeusling.eu/images/210629_Häusling_Positionspapier_FINAL_Reserveantibiotika_II.pdf


 

Unser gemeinsamer Brief an die Ausschussmitglieder (englisch):

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 






4.6.2021

Das von uns beauftragte Rechtsgutachten zum umfassenden Verbot von Reserveantibiotika in der nahrungsindustriellen Tierhaltung wird heute veröffentlicht


Ärzte gegen Massentierhaltung veröffentlicht heute das von uns beauftragte Rechtsgutachten von der renommierten Expertin für Umweltrecht Rechtsanwältin Dr. Davina Bruhn aus Hamburg. 


Ein Verbot von Reserveantibiotika in Deutschland ist

  • sowohl unions- als auch verfassungsrechtlich möglich
  • und darüber hinaus verfassungsrechtlich geboten.

 

 

 

 

 


In der ausführlichen Begründung wird dargestellt, dass die deutsche Gesetzgebung aufgrund der großen Gefahr durch multiresistente Bakterien zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit unseres Gesundheitssystems verpflichtet ist, die Reserveantibiotika nach der Liste der WHO ("highest priority critically important antimicrobials") in der nahrungsindustriellen Tierhaltung zu verbieten.


Hier ist das Rechtsgutachten herunterzuladen:


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 



Gedankt sei allen Spendern, durch die das Gutachten finanziert werden konnte und Reinhild Benning (Expertin für Agrarpolitik Deutsche Umwelthilfe DUH) für ihre Beratung. 



1.6.2021: Eindeutige Stellungnahme der Bundesärztekammer und des Arzneimittelausschusses der deutschen Ärzteschaft zum neuen Tierarzneimittel-Gesetz: 

"Reserveantibiotika für die Humanmedizin reservieren!"


In der Stellungnahme wird die strenge Regulierung und Überwachung von antimikrobiell wirksamen Substanzen gefordert, die im Humanbereich als Reserveantibiotika angewendet werden. Diese müssten für den Gebrauch in der Humanmedizin reserviert bleiben.


Herunterladen des kompletten Textes:


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 





1.6.2021

Wir trauern um unser Gründungsmitglied Dr. Peter Sauer, der am 4.4.2021 nach längerer Krankheit verstorben ist. Peter war mit seinem Engagement, seiner Menschlichkeit und seiner Intelligenz bis zuletzt in unserer Sache aktiv. Wir verlieren einen wesentlichen und unersetzlichen Mitstreiter.



4.3.2021:   Kommt die nächste Pandemie aus dem Stall ? 

Weltärztebund-Präsident Montgomery: "Wir treten für ein generelles Verbot von Reserve-Antibiotika in der Tierhaltung ein."


In der Sendung "Nano" im ZDF 3SAT vom 4.3.2021 macht sich der Vorsitzende des Weltärztebundes, Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery, für ein generelles Verbot von Reserve-Antibiotika in der Tierhaltung stark. 


Wörtlich sagt er: "Wir treten für ein generelles Verbot von Reserve-Antibiotika ein. Es muss ein paar Mittel geben, die ausschließlich Menschen vorbehalten sind. Für uns steht das Menschenwohl über dem Tierwohl. Wir brauchen die Reserve-Antibiotika. Sonst wiederholt sich das,  was wir mit Corona gerade erleben, irgendwann mit einem Keim und dann hätten wir wirklich ein Problem."


Sehen Sie hier den Beitrag von ZDF-Nano.

Um das Risiko künftiger weltweiter Pandemien zu verringern, müssen wir unsere Beziehung zu Tieren grundlegend neu ausrichten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


                    Wir unterstützen das "Manifest der Tiere  COVID-X verhindern" 

 

Ein Aufruf der World Federation for Animals

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


COVID-19 hat weltweit verheerende Auswirkungen, vom massiven Verlust an Menschenleben bis hin zum rapiden Niedergang der Weltwirtschaft.


Experten haben schon seit Jahren vor dem Risiko einer Pandemie dieses Ausmaßes gewarnt. Und es gab in letzter Zeit Warnschüsse in Form von anderen Krankheiten, die von Tieren auf den Menschen übertragen wurden, einschließlich Schweinegrippe, Vogelgrippe und Ebola. Die COVID-19-Krise macht unmissverständlich klar, dass wir, um das Risiko künftiger weltweiter Pandemien zu verringern, unsere Beziehung zu Tieren grundlegend neu ausrichten müssen - von einer Beziehung der Ausbeutungzueiner Beziehungder Gegenseitigkeit.Wir müssendiesmit Dringlichkeit tun.

Im "Manifest der Tiere" fordern weltweit fast 200 Nichtregierungsorganisationen die Staatsoberhäupter, Internationale Institutionen, politische Parteien und alle Beteiligten auf, innezuhalten und die Richtung der gegenwärtigen COVID-19-Bekämpfungsbemühungen zu bewerten, diese wegen der eklatanten Notwendigkeit eines wirklichen Wandels neu auszurichten und endlich die Ausbeutung von Tieren durch die Menschheit anzugehen.

Wir erkennen das große Risiko, dass "business as usual" wieder aufgenommen und unvermindert fortgesetzt wird. Ein solcher Ansatz hat schreckliche Folgen für menschliche Gemeinschaften, Tiere und die Ökologie der Erde. Jetzt ist die einmalige Gelegenheit, sich den enormen Herausforderungen zu stellen, die COVID-19 beleuchtet hat, und gemeinsam unseren Kurs zu ändern, um das Wohlergehen aller zu gewährleisten. Unsere Fähigkeit, die nächste Pandemie zu verhindern und unsere gemeinsame Zukunft zu sichern,hängt davon ab.

Die deutsche Version des Manifests können Sie hier herunterladen.

Die aktuelle englische Version finden Sie hier.




Das Manifest der Tiere
COVID-19 Manifesto - Deutsche Version.pdf (20.38MB)
Das Manifest der Tiere
COVID-19 Manifesto - Deutsche Version.pdf (20.38MB)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

WIR UNTERSTÜTZEN DIE KAMPAGNE DES UMWELTINSTITUTS MÜNCHEN e.V. 

BITTE UNTERSCHREIBEN SIE AUCH:


Kein Antibiotika-Missbrauch im Stall!

Reserve-Antibiotika sind Medikamente, die in der Regel auch dann noch wirken, wenn Bakterien gegen herkömmliche Antibiotika Resistenzen entwickelt haben. Obwohl sie eigentlich für human-medizinische Notfälle vorbehalten sein sollten, wird ihre Wirksamkeit durch den massenhafen Einsatz in der Tiermast gefährdet. 

Ein neues Gesetz sollte diesen Medikamentenmissbrauch im Stall eigentlich beenden. Doch nun droht eine Aufweichung der Verordnung, mit der die Gabe von Reserve-Antibiotika in der Tierhaltung auch in Zukunft möglich wäre. Fordern Sie deshalb jetzt vom Landwirtschafts- und Gesundheitsministerium, Reserve-Antibiotika endlich wirksam aus den Ställen zu verbannen!


Zur Kampagnenseite HIER


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


27.11.2020 FAZ "GEFAHR DURCH BAKTERIEN : Warum wir uns auch mit Antibiotika befassen sollten"

Die Welternährungsorganisation befürchtet eine noch tödlichere Pandemie, weil immer mehr Bakterien gegen Antibiotika resistent sind. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Landwirtschaft.


Seit neun Monaten dominiert das Coronavirus die politische Debatte, vor allem in Europa, wo sich die Länder von Lockdown zu Lockdown hangeln. Die bei den Vereinten Nationen angesiedelte Welternährungsorganisation (FAO) warnt jetzt, dass dieser Fokus zu einseitig sei. Ihrer Einschätzung nach könnte die Antibiotikaresistenz von Bakterien für die Menschheit „potentiell noch gefährlicher sein als Covid-19“, schreibt die Organisation in einer Stellungnahme zu dem Thema.

Die drastisch steigenden Fälle, in denen kein Antibiotikum mehr gegen Erreger hilft, gefährdeten die globale Gesundheit, die Lebensmittelversorgung und die wirtschaftliche Entwicklung. Schon heute würden mindestens 700.000 Menschen im Jahr auf der Welt an den Folgen antibiotikaresistenter Infektionen sterben. „Wenn dem nicht Einhalt geboten wird, könnte die nächste Pandemie eine bakterielle sein – und viel tödlicher“, sagte FAO-Generaldirektorin Maria Helena Semedo.


Lesen Sie hier den gesamten Artikel der FAZ.


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


19.11.2020 Zoonosen-Monitoring Report des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) 

"Wann hört Ministerin Klöckner endlich auf ihre eigenen Wissenschaftler ?"


Ende Oktober haben Germanwatch und Ärzte gegen Massentierhaltung ihre Studie mit 165 Hähnchenfleischproben der drei größten Konzerne der EU veröffentlicht.  Mehr als jede zweite Hähnchenfleischprobe aus den drei größten Geflügelkonzernen Europas ist danach mit Resistenzen gegen ein oder sogar gegen mehrere Antibiotika gleichzeitig belastet. Im Schnitt schleppt mehr als jedes dritte Hähnchen antibiotikaresistente Krankheitserreger mit Resistenzen gegen Reserveantibiotika in die Lebensmittelkette ein.

Der am 19.11.2020 veröffentlichte jüngste Zoonosen-Monitoring Report des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) findet ganz ähnliche Resultate für viele weitere Lebensmittel bei den wichtigsten lebensmittelliefernden Tierarten und bestätigt damit die Ergebnisse unserer Studie auf dramatische Weise.

So liegt beispielsweise die Nachweisrate von Campylobacter spp. in Proben von frischem Hähnchenfleisch bei 46,4 % und damit in derselben Größenordnung wie in den vorherigen Jahren. Die Ergebnisse des Zoonosen-Monitorings 2019 zeigen zudem, dass bei der Reduzierung von Campylobacter auf Schlachtkörpern von Masthähnchen nach wie vor keine Fortschritte erzielt wurden.

Die Ergebnisse der Untersuchungen in der Lebensmittelkette Mastschweine zeigen, dass sich der Eintrag von Salmonellen in die Schlachthöfe über Salmonella-positive Schweine in den letzten Jahren nicht verändert hat. Außerdem zeigen die Ergebnisse, dass MRSA in der Lebensmittelkette Mastschweine häufig vorkommen. 

Hohe Belastungen mit Krankheitskeimen wurden außerdem festgestellt bei Tankmilch aus Milchrinderbetrieben, bei Mastschweinen und Mastkälbern/Jungrindern, Fisch aus Aquakultur, usw.

Das Resümeé der BVL lautet (Zitat):

" Die Ergebnisse verdeutlichen, dass die Anstrengungen, den Antibiotikaeinsatz durch Verbesserungen der Tiergesundheit zu senken, weiter verstärkt werden müssen, um eine Reduktion der Resistenzraten zu erreichen. Ein Schwerpunkt hierbei sollte auch die Reduktion des Einsatzes kritischer Antibiotika sein, insbesondere jener von der WHO als HPCIA (“highest priority critically important antimicrobials“ d.h. Antibiotika von allerhöchster Bedeutung für die Humanmedizin) klassifizierten Substanzen. Die Dringlichkeit der Reduktion des Einsatzes von Cephalosporinen vor allem beim Milchrind wird durch die sehr hohen Resistenzraten gegen diese Substanzklasse unterstrichen. Aber auch der Einsatz von Colistin muss aufgrund des Vorkommens der identifizierten übertragbaren Resistenzgene und der gestiegenen Bedeutung der Substanz für die Humanmedizin weiter reduziert werden."

Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) ist eine Behörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Sie stellt eine Forderung auf, die praktisch identisch mit unseren Forderungen ist, während sich das Ministerium unter dem Einfluss der Landwirtschafts-Lobby weiter durchlaviert. Wann hört Ministerin Klöckner endlich auf ihre eigenen Wissenschaftler und verbietet den Einsatz der Reserveantibiotika (HPCIA) in der Tierhaltung ?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


18.11.2020: Greenpeace-Studie zu Gülletransporten "KEIME AUF ABWEGEN -

Wie Gülletransporte antibiotikaresistente Keime und Antibiotikarückstände verbreiten" 


Mit Antibiotika und resistenten Keimen belastete Gülle wird von Niedersachsen aus in andere Bundesländer verteilt. In Schweine haltenden Betrieben genommene Gülleproben wurden Greenpeace zugespielt und in einem unabhängigen Labor analysiert. In sieben von elf der untersuchten Proben wurden (multi-)resistente Keime nachgewiesen; in allen Proben fanden sich Rückstände von Antibiotika-Wirkstoffen. RechercheurInnen von Greenpeace haben über mehrere Monate die Wege von Gülletransporten verfolgt, die im Schnitt über einen Distanz von 220 Kilometern gingen. Die Studie finden Sie hier.


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


10.11.2020 Deutschlandfunk Kultur: "Die nächste Pandemie könnte aus dem Hühnerstall kommen"


In einem sehr informativen Beitrag berichtet der Deutschlandfunk über die Gefahren des Antibiotika-Einsatzes in der Tiermast und über Wege, dort ohne Antibiotika auszukommen.


Hier zum Nachlesen, hier zum Nachhören !


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


27.10.2020 STUDIE: MEHR ALS JEDES ZWEITE HÄHNCHEN AUS EUROPAS GRÖSSTEN GEFLÜGEL-SCHLACHTEREIEN MIT ANTIBIOTIKARESISTENTEN ERREGERN BELASTET

Mehr als jede zweite Hähnchenfleischprobe (im Durchschnitt 51 Prozent) aus den drei größten Geflügelkonzernen Europas ist mit Resistenzen gegen ein oder sogar gegen mehrere Antibiotika gleichzeitig belastet. Im Schnitt schleppt mehr als jedes dritte Hähnchen (35 Prozent) sogar antibiotikaresistente Krankheitserreger mit Resistenzen gegen Notfall-Antibiotika (Reserveantibiotika) in die Lebensmittelkette ein. Dies sind die alarmierenden Ergebnisse einer heute veröffentlichten Studie im Auftrag der Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation Germanwatch und von „Ärzte gegen Massentierhaltung“. Der Stichprobentest umfasste 165 Hähnchenfleischproben der drei Konzerne, gekauft in Deutschland, Frankreich, Polen, den Niederlanden und Spanien.

Die höchste Kontaminationsrate wiesen die Proben des Geflügelkonzerns PHW auf: Bei 59 Prozent der Hähnchenfleischproben wurden antibiotikaresistente Krankheitserreger gefunden. Damit waren die gefundenen Resistenzraten noch höher als bei jüngsten Hähnchenfleischuntersuchungen deutscher Behörden, bei denen rund die Hälfte der Proben kontaminiert war. Zum Konzern PHW gehören unter anderem die Marken Wiesenhof und Drobimex (Polen). Jede vierte PHW-Probe schleppt MRSA in die Lebensmittelkette ein. Dabei weist jede dritte Hähnchenfleischprobe des PHW-Konzerns (Stammsitz in Deutschland) Resistenzen gegen Reserveantibiotika auf. Diese sollten laut Weltgesundheitsorganisation WHO für Menschen vorbehalten sein, da sie im Notfall benötigt werden, wenn herkömmliche Antibiotika bereits nicht mehr wirken. Die EU-Kommission will in diesen Wochen entscheiden, ob diese Notfall-Antibiotika mit höchster Priorität für Menschen weiter in der Massentierhaltung eingesetzt werden dürfen.

Hähnchenfleisch der französischen LDC-Gruppe erweist sich mit 57 Prozent kontaminierter Proben als kaum weniger belastet als PHW-Fleisch. Zur LDC-Gruppe gehören die Marken Le Gaulois und Maitre Coq. Der größte EU-Geflügelkonzern LDC liefert mit einer Belastungsrate von 45 Prozent Probenanteil mit Reserveantibiotika-Resistenzen einen starken Beleg für die Notwendigkeit des EU-weiten Verbots dieser für Menschen wichtigsten Antibiotika in der industriellen Tierhaltung.


Bei Fleisch des Geflügelkonzerns Plukon (Niederlande) birgt gut jede dritte Hähnchenprobe Antibiotikaresistenzen (36 Prozent), jede vierte Hähnchenprobe auch gegen Reserveantibiotika. Plukon-Fleisch weist im vorliegenden Vergleich die höchste Rate an ESBL-produzierenden Krankheitserregern auf, wodurch besonders erkrankte, ältere Menschen und Kleinstkinder gefährdet werden können. Zum Plukon-Konzern gehören die Marken Stolle und Friki.

In Europa sterben jährlich 33.000 Menschen, weil Antibiotika nicht mehr wirken. Tierärzte in der EU verbrauchen mehr Antibiotika für Tiere als die Humanmedizin für kranke Menschen. Der massive Antibiotikaeinsatz insbesondere in der industriellen Tierhaltung ist neben der Ansteckung in Krankenhäusern und nicht fachgerechter Anwendung von Antibiotika einer der Hauptgründe für die Zunahme der Resistenzen. Aufgenommen werden können antibiotikaresistente Krankheitserreger zum Beispiel bei der Fleischzubereitung, wenn resistente Erreger etwa beim Fleischschneiden auf Küchenutensilien oder Rohkost gelangen.

Reinhild Benning, Expertin für Tierhaltung bei Germanwatch: „Die hohen Resistenzraten – besonders gegen Reserveantibiotika – haben uns überrascht und schockiert. Antibiotikaresistenzen sind ein enormes Gesundheitsrisiko für Menschen. Gerade in Zeiten der Corona-Pandemie benötigen Covid-Patientinnen und -Patienten oft wegen bakterieller Begleiterkrankungen wirksame Antibiotika. Kontaminiertes Geflügelfleisch aus industrieller Massentierhaltung kann dazu beitragen, dass sogar die letzten wirksamen Antibiotika immer häufiger versagen. Brüssel hat der Fleischindustrie schon zu viele Extrawürste genehmigt. Jetzt muss sie der Rettung von Menschenleben Priorität geben vor der industriellen Billigfleischproduktion. Notfall-Antibiotika in Tierfabriken müssen verboten werden.“

Prof. Dr. Sören Gatermann, Leiter der Untersuchung im Nationalen Referenzzentrum für gramnegative Krankenhauserreger (Bochum): „Die hohe Rate an Proben mit Fluorochinolonresistenz und die Nachweise von MRSA haben überrascht. Schließlich sind Chinolone wichtige Antibiotika für die Therapie auch schwerer Infektionen beim Menschen.“

Dr. Imke Lührs, Vorstand von „Ärzte gegen Massentierhaltung“: „Die EU-Kommission kann und muss die von der Weltgesundheitsorganisation WHO definierten Antibiotika mit höchster Priorität für Menschen vorbehalten. Andernfalls wäre sie mitverantwortlich, wenn noch mehr schwerkranke Patienten an Infektionen mit resistenten Keimen versterben. Wir Ärzte sind auf die Reserveantibiotika in vielen Gebieten der modernen Medizin angewiesen, so in der Tumortherapie, bei Transplantationen, bei Frühgeborenen, großen Operationen und schweren Unfällen. Dass Reserveantibiotika dazu dienen, das System der industriellen Tierhaltung möglich zu machen, ist unerträglich. Wir brauchen wirksame Tierschutzgesetze und ein Verbot der Reserveantibiotika im Stall.“

Während der Antibiotikaverbrauch bei Tierärzten in einigen EU-Ländern wie Deutschland laut EU-Behörden sinkt, gehen die Resistenzraten nicht einheitlich zurück. Laut Bundeslandwirtschaftsministerium sank der Antibiotikaverbrauch bei Masthähnchen in Deutschland von 2014 bis 2017 ohnehin nur um gerade einmal 0,9 Prozent. Hohe Resistenzraten gelten als Indiz, dass die Tiere und damit ihre Keimflora kontinuierlich mit Antibiotika konfrontiert werden.

Germanwatch und „Ärzte gegen Massentierhaltung“ fordern von der EU-Kommission, den gefährlichen Einsatz von Reserveantibiotika in der Tierhaltung zu verbieten. Verbraucherinnen und Verbrauchern rät Germanwatch: Wenn sie Geflügelfleisch kaufen wollen, dann am besten aus ökologischer Erzeugung oder aus Hofschlachtung.

Zur Studie: Im Nationalen Referenzzentrum für gramnegative Krankenhauserreger (Bochum) wurden insgesamt 165 Hähnchenfleischproben untersucht. Sie stammen von den drei größten Geflügelkonzernen in der EU: Der französischen LDC-Gruppe, PHW (Deutschland) und dem niederländischen Plukon-Konzern. Die Proben wurden in Filialen von Lidl und Aldi in Polen, Deutschland, Frankreich und Spanien oder direkt bei den relevanten Schlachthöfen in Deutschland und den Niederlanden gekauft.

Link zur Studie: 

www.germanwatch.org/de/19459

Weitere Links zu diesem Thema:


ZDF Fontal 21 vom 27.10.2020


GERMANWATCH


NDR


ZDF


SPD Fraktion im Bundestag: Antibiotikaresistente Keime gehören nicht auf den Teller


Neues Deutschland


Deutsches Ärzteblatt


FOCUS



 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


16.10.2020 EU-Kommission muss Verbot für Reserveantibiotika in der industriellen Massentierhaltung voranbringen


Gemeinsame Stellungnahme mit Germanwatch, Greenpeace und Tierärzten für verantwortbare Landwirtschaft


Über 33.000 Menschen sterben jedes Jahr in Europa, weil Antibiotika nicht mehr helfen. Tiere in Europa bekommen mehr Antibiotika als kranke Menschen und Antibiotikaresistenzen aus Tierhaltungen gelangen bis in unsere Küchen.

Die EU-Kommission hat dennoch ein Papier für eine EU-Regelung an das Bundeslandwirtschaftsministerium gesendet, demzufolge Tierärzt*innen auch in Tierfabriken unbegrenzt Reserveantibiotika einsetzen dürfen. Reserveantibiotika sind die letzten Mittel zur Behandlung von Menschen, wenn andere Antibiotika bereits versagen.

Ärzte gegen Massentierhaltung protestiert scharf gegen den Entwurf und fordert in einer gemeinsamen Stellungnahme mit Germanwatch, Greenpeace und Tierärzten für verantwortbare Landwirtschaft, Reserveantibiotika in industriellen Tierhaltungen zu verbieten und für alle anderen Antibiotika einen verpflichtenden Wirksamkeitstest (Antibiogramm) einzuführen.


Unsere Stellungnahme finden Sie hier.


Der SPIEGEL berichtet am 17.10.2020: STEAK ODER LEBEN 

"Reserveantibiotika sollen Menschen retten, wenn Antibiotika versagen. Die EU-Kommission will die Ausnahmemedikamente jedoch weiter in der Tierhaltung zulassen. Ein gefährlicher Sieg der Billigfleischlobby."


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

11.3.2020 ZDF-Doku 

"Achtung, Essen! Resistente Keime breiten sich immer mehr aus - warum?"

In Europa sterben jährlich etwa 33.000 Menschen an antibiotikaresitenten Keimen. Und es werden immer mehr. Wer ist dafür verantwortlich?


Diese Doku, die von der ZDF-Redaktion "Frontal 21" für die ZDFmediathek entwickelt wurde, ist ab Dienstag, 10. März 2020, 17.00 Uhr, in der ZDFmediathek präsent und geht unter anderem der Frage nach: Weshalb sterben immer mehr Menschen an antibiotikaresistenten Keimen? 

Ab dem 15. April 2020 ist "Achtung, Essen!" dreimal mittwochs auf dem ZDF-Doku-Sendeplatz nach Mitternacht zu sehen. 


Die Doku ist hier in der Mediathek zu finden.


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Filmankündigung:  Mittwoch, 4. März 2020, 19:00 Uhr, im LiLi Servicekino in Wildeshausen "Resistance Fighters - Die globale Antibiotikakrise"


Jährlich sterben 700.000 Menschen an Infektionen durch multi-resistente Keime. Laut Studien kann diese Zahl bis 2050 auf zehn Millionen jährlich steigen. Wir stehen vor der „post-antibiotischen Ära“,– einer Zeit, in der uns Medikamente nicht mehr gegen Infektionen schützen können.


Der Film „Resistance Fighters“ erzählt, wie fahrlässiges Handeln, Profitgier und Kurzsichtigkeit die Wirkung lebensrettender Antibiotika nahezu ausgehebelt haben. Ein Wissenschaftsthriller über verzweifelt kämpfende Ärzte, aufbegehrende Wissenschaftler, mit dem Tod ringende Patienten und Diplomaten, die nach einer globalen Lösung suchen. Sie alle sind die Resistance Fighters.  Mit dabei Mitglieder von „Ärzte gegen Massentierhaltung“.

Am Mittwoch, den 4.3.2020,  wird der Film im LiLi Servicekino in Wildeshausen gezeigt, also in einem Brennpunkt der Massentierhaltung. Der Film läuft im Rahmen des Kinoforums der Initiative "Natürlich Wildeshausen". Der Eintritt ist FREI.


Anschließend diskutieren auf dem Podium und mit den Zuschauern::

-  Dr. Gerd-Ludwig Meyer, Nephrologe aus Nienburg und gelernter Landwirt, Gründer von „Ärzte gegen Massentierhaltung"
-  Dr. Claudia Preuß-Ueberschär, Tierärztin und Pressesprecherin des Vereins: Tierärzte für verantwortbare Landwirtschaft

-  Reinhild Benning, Referentin für Landwirtschaft und Tierhaltung, German Watch e.V.


Moderation: Dr. Peter Sauer, Ärzte gegen Massentierhaltung


16.10.2019: Der Film wurde mit dem 1. Preis beim Vancouver International Film Festival ausgezeichnet !


Weitere Informationen zum Film:


Februar 2019: Der Dokumentarverleih Dogwoof (Gewinner des Dokumentarfilm-Oscars 2019 mit „Free Solo“) übernimmt den Weltvertrieb von „Resistance Fighters“

März 2019:  Europa-Premiere auf dem Copenhagen International Documentary Film Festival CPH:DOX

September 2019: USA-Premiere in New York im Rahmen der Generalversammlung der Vereinten Nationen mit Auftaktrede des US-Gesundheitsministers Alex Azar, 
(mit Unterstützung der Melinda und Bill Gates Stiftung, Centers for Disease Control, Wellcome Trust)

Oktober 2019: Kanada-Premiere in Vancouver auf dem Vancouver International Film Festival, ausgezeichnet mit dem 1. Preis im Wettbewerb „Impact“

Oktober 2019: Aufführung in Stanford auf dem United Nations Association Film Festival

Oktober 2019: Frankreich-Premiere auf dem Pariscience Film Festival


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


26.11.2019 ZDF:  Killerkeime "Wenn Antibiotika nicht mehr wirken"


Pest und Cholera haben einst ganze Landstriche verwüstet. Heute halten Antibiotika gefährliche Keime in Schach. Doch gegen immer mehr Krankheitserreger erweisen sich diese Medikamente als machtlos.

Gemeinsam mit Experten des Robert-Koch-Instituts hat ZDFzeit den Ausbruch eines panresistenten Keims in einem deutschen Krankenhaus durchgespielt - nicht real, aber realistisch. Das Szenario verdeutlicht, welchen Herausforderungen die Medizin in einem solchen Fall gegenübersteht.

Welche Behandlungsmöglichkeiten bleiben den Ärzten noch? Wie lässt sich eine Ausbreitung verhindern? Warum ist es wichtig, die Quelle des Keims ausfindig zu machen? Was können Forscher und Pharmaunternehmen tun, um Abhilfe zu schaffen? Und welche Handlungsoptionen haben Politik und Gesellschaft?


Sehen Sie hier in der ZDF Mediathek diesen Film !


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


11.11.2019  tagesschau.de " Geflügelindustrie fordert Deal"


Landwirtschaftsministerin Klöckner hatte die Geflügelindustrie aufgefordert, den Einsatz von Reserveantibiotika zu verringern. Laut einem internen Papier liegen nun Vorschläge der Industrie vor, allerdings verknüpft mit Forderungen.

Von Oda Lambrecht, NDR


Der Einsatz von Reserveantibiotika in der Geflügelmast sei zu hoch, hatte Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) Mitte Juli nach der Veröffentlichung eines Evaluierungsberichts erklärt. Sie forderte die Geflügelwirtschaft auf, den Einsatz von Wirkstoffen, die für die Behandlung von Menschen als besonders wichtig gelten, in den Ställen "signifikant" zu senken.

Innerhalb von zwei Monaten sollte ihr die Industrie eine entsprechende Strategie vorlegen. Inzwischen unterbreitete die Geflügelwirtschaft dem Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) Vorschläge, stellte aber im Gegenzug eine Reihe von Forderungen auf. Das zeigt ein internes Papier, das dem NDR vorliegt.

Der Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft (ZDG) bietet dem Papier zufolge an, das Reserveantibiotikum Colistin in Hähnchen- und Putenställen ab Ende 2023 nicht mehr zu verwenden.

Zudem schlage der Verband vor, den Einsatz einer weiteren Gruppe von Antibiotika, den sogenannten Fluorchinolonen, bis Ende 2023 um 20 Prozent zu senken. Im Gegenzug fordert er aber, dass diese Wirkstoffe nicht komplett verboten werden.


Kommt EU-Verbot dem Deal zuvor?

Allerdings kann es sein, dass die EU etwa Colistin ohnehin bald verbieten wird. Bereits Ende vergangenen Jahres wurde eine Verordnung verabschiedet, die den Einsatz bestimmter Antibiotika in der Landwirtschaft untersagen soll. Bislang ist aber noch unklar, welche Mittel konkret unter dieses Verbot fallen werden.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stuft Colistin und Fluorchinolone jedenfalls als besonders wichtige Mittel für die Behandlung von Menschen ein. Viele Ärzte sehen die Verwendung dieser Antibiotika für Tiere sehr kritisch. Trotzdem werden sie nach wie vor in großen Mengen in der Hühner- und Putenmast eingesetzt.

Beschränkungen für einige Antibiotika sollen wegfallen

In dem Papier stellt die Geflügelwirtschaft allerdings auch Forderungen an die Politik. Den Einsatz der Reserveantibiotika könne sie nur unter bestimmten Voraussetzungen senken, heißt es.

Die Industrie fordert etwa, dass für den Verzicht auf Colistin einige Beschränkungen für andere Wirkstoffe wegfallen. In Deutschland gelten für Antibiotika sogenannte Wartezeiten. Damit bezeichnet man die Tage, in denen etwa vor der Schlachtung keine Antibiotika mehr gegeben werden dürfen, damit das Fleisch später keine Rückstände davon enthält.

Die Geflügelwirtschaft wünscht sich nun eine "Anpassung der Wartezeit" für Fluorchinolone. Die Wartezeit für andere Antibiotika, den sogenannten Tetrazyklinen, soll für Eier bei Legehennen gleich komplett abgeschafft werden.


Lesen Sie hier den gesamten Eintrag auf tagesschau.de


Unsere Meinung:  Der Colistin-Skandal setzt sich fort ! Nicht nur, dass bis jetzt schon jährlich in der Geflügelmast das wichtige Reserve-Antibiotikum Colistin in Mengen, die für eine komplette Behandlung aller Bundesbürger ausreichen würden, verschleudert wird. Jetzt soll das auch noch in einem unverschämten Kuhhandel zwischen Geflügelindustrie und Bundeslandwirtschaftsministerium bis Ende 2023 fortgesetzt werden ! Wir fordern das sofortige Verbot des Einsatzes von Colistin in der Tierhaltung.



17.7.2019 Ärzte in großer Sorge über Antibiotika-Einsatz in Tierställen

Berlin. Die Ärztegewerkschaft Marburger Bund warnt vor den Folgen des Antibiotikaeinsatzes in der Fleischproduktion für die menschliche Gesundheit.

„Der massive Einsatz von Reserveantibiotika in der Geflügelmast macht uns Ärzten große Sorgen. Wir brauchen diese Arzneimittel für die Therapie schwerer Infektionen, die mit konventionellen Substanzen nicht mehr behandelt werden können“, sagte Rudolf Henke, Vorsitzender des Marburger Bundes, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). (Lesen Sie hier weiter !)
„Resistente Bakterien treffen uns Menschen“
Henke wies darauf hin, dass durch den Gebrauch hochwirksamer Antibiotika in Ställen die Heilungschancen von Patienten verringert würden. „Wenn mehr und mehr Bakterien selbst gegen Reserveantibiotika wie Colistin Resistenzen entwickeln, ist das Spektrum der therapeutischen Möglichkeiten in vielen Fällen weitgehend aufgebraucht.“
Es ergebe keinen Sinn, Reserveantibiotika aus der Humanmedizin in der Tiermast, insbesondere in der Geflügelmast, immer wirkungsloser werden zu lassen. Die Politik sei hier gefragt: „Wenn es keinen freiwilligen Verzicht gibt, muss man den Verbrauch verbieten oder zumindest auf klar umgrenzte Einzelfälle gesetzlich einschränken“, forderte Henke. „Resistente Bakterien, die in der Tiermast entstehen, treffen früher oder später auch uns Menschen. Deshalb muss die Politik jetzt handeln.“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


31.7.2019  Germanwatch: "Massenhafter Einsatz von Reserveantibiotika in Massentierhaltung "


Die Entwicklungs- und Umweltorganisation Germanwatch e.V. kommentiert in einer Pressemitteilung vom 31.7.2019 die neuesten Zahlen zum Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung wie folgt:


Neuer Behördenbericht bestätigt: Colistin und Makrolide - zwei für den Menschen besonders wichtige Reserveantibiotika - werden in großen Mengen Tieren verabreicht / Risiko von Resistenzen gegen Reserveantibiotika steigt

Zwei von fünf Reserveantibiotika, die für Menschen bei Resistenzen lebensrettend sein können, sind im vergangenen Jahr massenhaft in Tierfabriken eingesetzt worden. Colistin ist mit 74 Tonnen mittlerweile eines der meistgenutzten Antibiotika in der Massentierhaltung, Makrolide sind mit 59 Tonnen im Vergleich zum Vorjahr sogar in steigenden Mengen verabreicht worden. Dies geht aus dem neuen Bericht des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) hervor. Reserveantibiotika werden in der Humanmedizin benötigt, wenn andere Antibiotika bei Infektionen nicht mehr wirken. Sie sind also eigentlich für Notfälle gedacht.


Die gesamte Pressemitteilung finden Sie hier.


Den Bericht des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL)  finden Sie hier.


Aus unserer Sicht ist die weiterhin erfolgte Abgabe von Colistin in Mengen, die ausreichen, die gesamte Bevölkerung Deutschlands in einem Jahr einem kompletten Behandlungszyklus zu unterziehen, ein fortwährender Skandal !


Colistin ist ein wichtiges Reserveantibiotikum in der Humanmedizin, das u.a. in der Behandlung von Mukoviszidose unverzichtbar ist. Erschwerend kommt hinzu, dass ab Anfang 2016 weltweit Übertragungen von Colistin-Resistenzen durch das mcr-1-Gen nachgewiesen wurden. Dieses Gen kann zwischen verschiedenen Arten von Bakterien übertragen werden ( sog. "plasmidvermittelter horizontaler Gentransfer" ), was zu einer noch schnelleren Entwicklung und Verbreitung von Resistenzen führt.


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 



 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

13.6.2019: Forschung zu Antibiotikaresistenzen bei Masthühnern stützt einseitig die Geflügelindustrie


Gemeinsamer Kommentar zur BMEL-Forschungsförderung

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Ein Bündnis aus Germanwatch, PAN Germany, Human- und Tiermediziner*innen sowie Tierarzneimittelexpert*innen kritisiert die Einseitigkeit der staatlichen Forschungsförderung des Bundeslandwirtschaftsministeriums, BMEL, beim Projekt EsRAM zur Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen. Die Forschungsgruppe mit besonders starkem Einfluss eines Geflügelkonzerns und eines Pharmakonzerns werde mit 2,6 Millionen Euro staatlicher Forschungsförderung finanziert und gehe mehrheitlich Fragestellungen nach, von denen einseitig Unternehmen der industriellen Hähnchenfleischproduktion und der Antibiotikaverkäufer profitierten. Das lege den Verdacht nahe, dass Fleisch- und Pharmafirmen die BMEL-Forschung als Selbstbedienungsladen nutzen dürfen.

Das System der industriellen Mast sei dafür verantwortlich, dass jährlich Hunderte von Tonnen an Antibiotika in Tiere und mit der Gülle und mit Schlachthofabwässern auch in die Umwelt gelangen. Hähnchenhaltung in Tierfabriken verursachten anhaltend hohe oder steigende Resistenzraten auf Fleisch. Die Forschungsfragen im Rahmen von EsRAM ignorierten Erkenntnisse staatlicher Monitorings, denen zufolge alternative Verfahren der Hähnchenmast wie etwa im Ökolandbau die Resistenzraten minimierten. Das Bündnis fordert, öffentliche Forschungsgelder nicht mehr in Fragen zur industriellen Massentierhaltung zu investieren, das System sei im Vergleich zu anderen Tierhaltungsverfahren mit Blick auf Nachhaltigkeit gescheitert.

Es sei zwar grundsätzlich begrüßenswert, bei Masthühnern aus Massentierhaltungen anzusetzen, um Antibiotikaresistenzen zu reduzieren. So habe erst im April 2019 ein Labortest im Auftrag von Germanwatch ergeben, dass 56 Prozent der Hähnchenfleischproben von deutschen Geflügelkonzernen, die in Discountern gekauft wurden, kontaminiert sind mit antibiotikaresistenten Erregern. Zudem beschreibe das BMEL im Lagebild zur Antibiotikaresistenz die steigenden Resistenzraten gegen das Reserveantibiotikum Colistin bei Masthühnern. Nach Ansicht des Bündnisses müsse das Bundeslandwirtschaftsministerium die Forschungsmittel zu Antibiotikaresistenzen aber künftig nach ausgeglichenen Kriterien einsetzen und gesellschaftlich geforderte Formen der Fleischerzeugung deutlich stärker einbeziehen und die Universitäten, die hierzu forschen, fokussiert berücksichtigen.

Überfällig sei in diesem Zusammenhang eine systematische Auswertung der vorhandenen Daten, welche Tierhaltungen, welche Zuchtlinien und welches Futter für die jeweilige Tierart den geringsten Antibiotikabedarf aufweisen. Nach Beobachtungen des Bündnisses stellten Zuchtlinien ohne Qualzucht und auch tiergerechtere Haltungen mit doppeltem Platzangebot je Tier und Außenklimabereichen, tiergerechte Fütterung mit heimischen Futtermitteln und eine entsprechend neue Qualität der Tierbetreuung besonders effektive Maßnahmen dar, um gesellschaftlich akzeptierte Formen der Fleischerzeugung einhergehend mit einer erfolgreichen Antibiotikaminimierung zu erreichen.Das Bündnis bedauerte, dass bei 18 Prozent Überproduktion an Hähnchenfleisch in Deutschland Fleischkonzerne in der Lage seien, die Erzeugerpreise teils unter die Kostengrenze zu drücken. Überschüsse und Exporte müssten beendet und eine staatliche Haltungskennzeichnung müsse für die Fleischwirtschaft zur Pflicht werden, um Landwirt*innen endlich Planungssicherheit zu geben, wenn sie den Tieren mehr Platz im Stall bieten und somit zur Reduktion des Antibiotikabedarfs beitragen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

29.5.2019:  Behördenbericht zeigt Versagen der bisherigen Politik: Anhaltend hoher Antibiotikaverbrauch in Massentierhaltung


Eigentlich wollte die Bundesregierung den Einsatz von Antibiotika in Tierställen deutlich reduzieren. Gelungen ist ihr das jedoch nur zum Teil. Das geht aus einem internen Bericht des Bundeslandwirtschaftsministeriums hervor. Er zeigt: Am hohen Einsatz von Antibiotika in der Hühner- und Putenhaltung sowie in der Kälbermast hat sich in den vergangenen Jahren kaum etwas geändert. Damit hat die Bundesregierung ihr Ziel verfehlt, das sie sich mit einer Reform des Arzneimittelgesetzes vor fünf Jahren gesetzt hatte. 


Lesen Sie hier den Bericht der Süddeutschen Zeitung.


Die Organisation Germanwatch e.V. fordert: "Die Bundesregierung droht bei der Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen aus Tierhaltungen zu versagen. Sie muss den Einsatz von Reserveantibiotika im Stall verbieten. Eine Abgabe auf alle übrigen Antibiotika sollte dafür sorgen, dass der Tierschutz sich besser rechnet als der Einsatz von Medikamenten. Es darf nicht länger billiger sein, massenhaft Antibiotika einzusetzen, statt Zucht, Haltung und Futter zu verbessern und Tiere gesund zu halten."  Das können wir nur nachdrücklich unterstreichen !


In einem Beitrag der Tagesschau forderte Bundesärztekammerpräsident Montgomery, Reserveantibiotika in der Tiermast "nicht vorschnell zu verwenden."

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

16.4.2019: Untersuchung im Auftrag von Germanwatch 

"Antibiotika-resistente Erreger in mehr als jeder zweiten Fleischprobe"

56 Prozent der getesteten Hähnchen mit resistenten Erregern / Bei jedem dritten Hähnchen sogar Resistenzen gegen Antibiotika der höchsten Priorität für Menschen / Germanwatch fordert Verbot des Einsatzes der für Menschen wichtigsten Antibiotika, eine Abgabe auf alle anderen Antibiotika in der Tierhaltung sowie Gesetze für mehr Tierschutz im Stall

Berlin (16. April 2019). Eine heute in Berlin vorgestellte Untersuchung von Hähnchenfleischproben aus großen Discountern im Auftrag der Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation Germanwatch hat alarmierende Befunde zutage gefördert: Von 59 Portionen Hähnchenfleisch - gekauft bei Lidl, Netto, Real, Aldi (Nord und Süd) sowie Penny - ist mehr als jede zweite Probe (56 Prozent) mit Antibiotika-resistenten Erregern belastet. Jede fünfte Probe weist sogar mehrere verschiedene Resistenzen auf.


Hier können Sie weitere Details lesen und hier den Bericht des SPIEGEL.


Das ZDF berichtete in seiner Sendung "Frontal 21", die Sie hier in der Mediathek finden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

30.8.2018:  Weserkurier, Bremen

"Protest gegen Riesen-Stall - Einen neuen Mega-Maststall für 39.000 Hähnchen hat der Landkreis Diepholz in Asendorf genehmigt. Die örtliche Bürgerinitiative protestiert."


Deshalb lädt die Bürgerinitiative für den 30. August um 19 Uhr zu einer Informationsveranstaltung ins Gasthaus „Ehlers“ in Bruchhausen-Vilsen ein. Referenten sind der Leiter des Hygieneinstituts Bremen-Mitte, Martin Eikenberg, der ehemalige Landwirt und Nierenfacharzt Gerd-Ludwig Meyer von der Initiative „Ärzte gegen Massentierhaltung“ sowie der Koordinator des Netzwerks „Bauernhöfe statt Agrarfabriken“ Eckehard Niemann. Sie werden zum Thema „Multiresistente Erreger und Landwirtschaft“ sprechen. In der anschließenden Diskussion können Anwohner Fragen stellen.


Hier können Sie den gesamten Bericht des Weserkuriers lesen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

23.7.2018:  Menge der abgegebenen Antibiotika in der Tiermedizin - weiter bedenklicher Anstieg der Abgabemengen für Antibiotika mit besonderer Bedeutung für die Therapie beim Menschen

Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) hat wie jedes Jahr die Menge der in der Tiermedizin abgebenen Antibiotika in Deutschland bekannt gegeben. Danach sank die Gesamtmenge im Jahr 2017 leicht um neun auf 733 Tonnen. Dem steht allerdings erneut ein Anstieg der Abgabemengen sogenannter Reserveantibiotika gegenüber. Dabei handelt es sich um Wirkstoffe mit besonderer Bedeutung für die Therapie beim Menschen. Bei den Fluorchinolonen ist im vergangenen Jahr ein Anstieg um 6,5% auf jetzt 9,9 Tonnen zu verzeichnen. Bei dem wichtigen Wirkstoff Colistin beträgt der Anstieg 7,2% auf jetzt 74 Tonnen.  Wie bereits im Vorjahr würde diese Menge ausreichen, die gesamte Bevölkerung Deutschlands in einem Jahr einem kompletten Behandlungszyklus zu unterziehen !


Die Details der Veröffentlichung des BVL finden Sie hier.


Wir setzen uns bereits seit langem für ein Verbot des Einsatzes von Reserveantibiotika in der Tierhaltung ein. Die neuen Zahlen unterstreichen noch einmal, dass hier dringender Handlungsbedarf besteht !

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

24.7.2018: Germanwatch kommentiert dazu: Antibiotikaminimierung am Ende - Therapiehäufigkeit und Colistin-Resistenzraten bei Masthühnern und -puten steigen

Antibiotika mit höchster Priorität für die Behandlung von Menschen werden häufiger in industriellen Tierhaltungen eingesetzt als noch im Jahr 2011. Das zeigen aktuelle Daten des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) zur Abgabe von Antibiotika von Pharmafirmen an Tierärzte im Jahr 2017. Unterdessen steigen die Resistenzraten gegen Colistin bei Masthühnern und bei Schweinen die gegen Ciprofloxacin – beides laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) Antibiotika mit höchster Priorität für die Humanmedizin (umgangssprachlich vormals „Reseveantibiotika“ genannt).

Jede zweite Hühnerfleischprobe im Supermarkt ist laut staatlichen Untersuchungen mit resistenten Erregern kontaminiert. Zudem zählen Forscher einen hohen Schweinefleischverzehr zu den Risikofaktoren, sich multiresistente Erreger (ESBL) einzufangen. Die Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation Germanwatch kritisiert, die Bundesregierung nehme wachsende Risiken für die menschliche Gesundheit billigend in Kauf – zugunsten der Interessen von Fleischkonzernen und industriellen Tierfabriken. Dabei zeigten ebenfalls staatliche Daten, dass sowohl der Antibiotikaeinsatz als auch Resistenzraten mit mehr Tierschutz wie im Ökolandbau oder bei Neuland schnell und erfolgreich gesenkt werden können.


Hier finden Sie die vollständige Stellungnahme von Germanwatch.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


6.2.2018: Gefährliche Keime in Bächen, Flüssen und Seen

Antibiotikaresistente Keime lassen sich nach einem Bericht des Norddeutschen Rundfunks (NDR) in verschiedenen Gewässern in Niedersachsen nachweisen. Dies belegten Wasser- und Sedimentproben von zwölf unterschiedlichen Standorten, berichtete der Sender am Dienstag. Beauftragte Wissenschaftler hätten darin multiresistente gram-negative Bakterien (MRGN) gefunden - darunter auch solche, die sogar gegen wichtige Reserveantibiotika unempfindlich seien.

Gesundheitsexperten äußern sich besorgt über die Funde in Bächen, Flüssen und Badeseen. "Das ist wirklich alarmierend", sagte Tim Eckmanns vom Robert Koch-Institut dem NDR. Auch der Gewässerforscher Thomas Berendonk von der Technischen Universität Dresden sagte dem NDR, die Funde bereiteten ihm Sorgen.


Lesen Sie hier weiter.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


13.9.2017: Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) gibt bekannt: "Erneut weniger Antibiotika an Tierärzte abgegeben- Abgabemenge der Antibiotika mit besonderer Bedeutung für die Therapie beim Menschen liegt leicht über dem Niveau von 2011"

In Deutschland hat sich die für die Tiermedizin abgegebene Menge an Antibiotika zwischen den Jahren 2011 und 2016 von 1.706 auf 742 Tonnen mehr als halbiert (minus 56,5 %). Von 2015 zu 2016 ging die Gesamtmenge der abgegebenen Antibiotika um 63 Tonnen (8 %) zurück. Das ergab die Auswertung der inzwischen im sechsten Jahr erhobenen Abgabemengendaten für Antibiotika durch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL). Im Vergleich zu 2011 – dem ersten Jahr der Erfassung – bleibt jedoch, trotz eines Rückgangs gegenüber 2015, die Menge der abgegebenen Antibiotika aus der Wirkstoffklasse der Fluorchinolone weiterhin erhöht. Diese Antibiotikaklasse ist für die Therapie beim Menschen von besonderer Bedeutung.


Die Meldung des BVL können Sie hier im Detail nachlesen.


Kommentar von Germanwatch e.V. dazu:


Antibiotikaresistenzen auf Fleisch: Verbindliche Regeln gegen Arzneimittelmissbrauch im Stall gefordert
Germanwatch kritisiert insbesondere Tatenlosigkeit der Bundesregierung gegen den Einsatz von Reserveantibiotika

Die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch fordert die zügige Einführung verbindlicher Regeln gegen Antibiotikamissbrauch im Stall. Germanwatch reagiert damit auf eine heute veröffentlichte Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage von Bündnis90/Grüne, die eine große Verbreitung von Antibiotikaresistenzen in der Tierhaltung offenlegt. "Die Bundesregierung trägt Mitverantwortung dafür, dass weiterhin rund jedes zweite Hähnchenfleisch mit Antibiotikaresistenzen kontaminiert ist", sagt Reinhild Benning, Agrarexpertin von Germanwatch. "Während in Dänemark und Frankreich längst strengere Regeln gegen Antibiotikamissbrauch im Stall gelten, hat das Bundeslandwirtschaftsministerium nicht dafür gesorgt, den routinemäßigen Antibiotikaeinsatz in den zunehmend industriellen Tierfabriken in Deutschland verbindlich und flächendeckend einzudämmen."

Die Weltgesundheitsorganisation WHO fürchtet, dass Resistenzen in den kommenden Jahrzehnten zum weltweit größten Gesundheitsproblem für den Menschen werden. Das mit Resistenzen kontaminierte Fleisch trägt zu diesem Gesundheitsrisiko für Menschen bei. Benning: "Es ist unerträglich, dass Gesundheitsminister Gröhe jahrelang geschwiegen hat zu den Versäumnissen von Landwirtschaftsminister Schmidt, obwohl mit kontaminiertem Geflügelfleisch Gesundheitsrisiken durch Antibiotikaresistenzen bis in die Küchen gelangen."

Die heute zusätzlich vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) veröffentlichten Daten zur Abgabe von Antibiotika von Pharmaunternehmen an Tierärzte in Deutschland seien überdies derzeit nicht überprüfbar, so Germanwatch. Die Antibiotikadatenbank der Bundesregierung erfasse längst nicht alle Antibiotikaeinsätze in deutschen Ställen. "Landwirte und Tierärzte dokumentieren zwar schon heute sämtliche Antibiotikaeinsätze im Stall, doch Bundesbehörden werten diese Daten nicht aus, obwohl damit die Angaben der Pharmaindustrie überprüft werden können", so Benning. Wer wegsehe beim Antibiotikaeinsatz etwa in Zuchtanlagen und bei Turbo-Milchkühen und wer die Selbstauskünfte der Pharmaindustrie nicht mit Aussagen von Landwirten abgleiche, der sei mitverantwortlich dafür, wenn anhaltend hohe Kontaminationsraten mit antibiotikaresistenten Keimen die Gesundheit der Verbraucherinnen und Verbraucher gefährden.

Aktuell erweckten die Selbstauskünfte der Pharmaindustrie den Anschein, Antibiotika in Mastanlagen gingen zurück. Dabei verschleiere die Messung in Tonnen aber den hohen Einsatz der kritischsten Form von Antibiotika in Agrarfabriken in Deutschland, der für Menschen besonders wichtigen Reserveantibiotika. In Dänemark würde der Einsatz dieser Arzneien in der Tierhaltung zehnfach gewichtet. Während das BVL nur zwei der Reserveantibiotika im Zusammenhang mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erwähne, fordere die WHO selbst hingegen für vier Wirkstoffgruppen, sie der Humanmedizin vorzubehalten und aus Tierhaltungen zu verbannen.

Germanwatch empfiehlt Verbraucherinnen und Verbrauchern, weniger Fleisch zu essen und auf Fleisch aus ökologischer Tierhaltung umzusteigen.


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Veterinärmedizin verschleißt gerade nächstes wichtiges Reserveantibiotikum !


Die Zahlen des BVL über die Abgabemengen von Antibiotika an die Tiermedizin weisen u.a. für 2016 eine Gesamtmenge von 69 Tonnen für den Wirkstoff Colistin aus ! Colistin ist von der Weltgesundheitsorganisation WHO als besonders wichtiges Reserveantibiotikum eingestuft worden, das vor allem für Menschen mit einer Mukoviszidose überlebenswichtig ist. Dabei handelt es sich um eine schwere angeborene Stoffwechselstörung, an der 50.000 Menschen in Europa leiden.


Die von der Veterinärmedizin 2016 im Stall verschleuderte Menge von 69 Tonnen würde ausreichen, um fast die gesamte Bevölkerung Deutschlands einmal komplett mit Colistin zu behandeln !

Zum Nachrechnen:

 - DDD (defined daily dose : tägl. übl. Dosis) für Colistin beim Menschen: 100 mg

 - Durchschnttliche Behandlungsdauer: 10 Tage

 - 69 Tonnen reichen für einen kompletten Behandlungszyklus für 69 Mio. Menschen 


In diesem Zusammenhang kommt besonders schwerwiegend hinzu, dass bereits Ende 2015 weltweit Colistin-Resistenzen nachgewiesen wurden, die sich schnell ausbreiten. Ein Verbot des Einsatzes in der Tiermedizin ist mehr als überfällig.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


5. Oktober 2017 - Fachtagung "Antibiotika-Minimierung in der Tierhaltung" Göttingen

Gemeinsam mit der Georg-August-Universität Göttingen, Department für Agrarökonomie und Rurale Entwicklung, und Germanwatch e.V. veranstaltet "Ärzte gegen Massentierhaltung" diese Fachtagung in Göttingen.


Ort:     Georg-August-Universität, Adam-von-Trott-Saal, Altes Mensagebäude, 1.OG, Wilhelmplatz 3, 

            37073 Göttingen


Zeit:     05.10.2017, 10:00 Uhr  bis  ca. 20:00 Uhr


Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnt, im Jahr 2050 könnte die Haupttodesursache weltweit Antibiotikaversagen sein, wenn wir es versäumen, Antibiotikaresistenzen rechtzeitig und wirksam zu bekämpfen. Aktuell  hat die WHO ihre Empfehlungen für den Umgang mit Antibiotika neu geordnet und die besondere Bedeutung der Reserveantibiotika für die Humanmedizin unterstrichen. Welche Konsequenzen hat das für die Tierhaltung? 


Konsumentinnen und Konsumenten in Deutschland sehen in Antibiotikaresistenzen eine der größten Gefahren für die Lebensmittelsicherheit. Auf diese Risikowahrnehmung scheint der Markt zu reagieren: Im Lebensmittelhandel finden sich immer häufiger "antibiotika-frei" gelabelte Fleisch- und Milchprodukte. Eine einheitliche Definition für eine "antibiotika-freie" Erzeugung gibt es unterdessen nicht. Welche Chancen und welche Herausforderungen für die menschliche Gesundheit und auch für den Tierschutz sind mit dem Verzicht auf Antibiotika in Tierhaltungen verbunden? Welche Erwartungen verbinden Verbraucher*innen mit "antibiotika-frei" erzeugten Produkten? Welche Tierhaltungssysteme eignen sich besonders für eine weitreichende Antibiotikareduktion und sichern zugleich langfristig gesellschaftliche Akzeptanz für die Tierhaltung?

In einigen Ländern sammeln Praktiker*innen in der Landwirtschaft schon länger Erfahrungen mit dem Verzicht auf Antibiotika. Mit der Tagung möchten wir auch hierzulande neue Perspektiven für eine wirksame Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen eröffnen und gemeinsam mit Ihnen diskutieren.

Anmeldung bitte an: ernaehrung@germanwatch.org

Die Veranstaltung ist kostenlos.  Für Getränke ist gesorgt. In den Pausen finden Sie im Umfeld des Veranstaltungsortes Möglichkeiten, sich zu verpflegen.


Das aktuelle Tagungsprogramm können Sie hier einsehen und herunterladen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

23.8.2017: Die ZEIT   "Vollgepumpte Schweine sollen die Wahl nicht beeinflussen"


Neue Zahlen zu Antibiotika im Stall gibt es erst nach der Bundestagswahl. Es liegt der Verdacht nahe, dass das Amt für Verbraucherschutz sie bewusst zurückhält.


Bis zu 30.000 Menschen sterben jedes Jahr in Deutschland, weil Antibiotika nicht mehr wirken, weil Keime gegen die Medikamente resistent geworden sind. Antibiotika-Resistenzen entstehen in Krankenhäusern, aber auch in Tierställen. Bauern verabreichen ihren Hühnern, Schweinen oder Rindern hierzulande sechsmal so viel Antibiotika wie Ärzte ihren menschlichen Patienten. Nicht zuletzt durch diesen flächendeckenden Einsatz verbreiten sich gefährliche resistente Keime. Über die Luft, über mit Gülle gedüngten Salat oder über Hühnchenbrustfilets gelangen sie in den menschlichen Körper – und können lebensbedrohlich werden.

Nun sieht es so aus, als ob die Bundesregierung vor der Bundestagswahl neue Fakten über den Einsatz von Antibiotika in deutschen Ställen zurückhält.


Lesen Sie den ganzen Artikel von Christian Fuchs in der ZEIT hier weiter.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


4.7.2017   Vor G20-Gipfel: Ärzte und Umweltorganisationen drängen auf Ende des Antibiotikamissbrauchs in der Massentierhaltung

Hamburg/Berlin/Bremen 4. Juli 2017
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat kurz vor dem G20 Gipfel in Hamburg eine Liste der für Menschen allerwichtigsten Reserveantibiotika veröffentlicht, die in der Humanmedizin benötigt werden, weil viele andere Antibiotika bereits versagen. Die WHO warnte zugleich davor, dass deren Einsatz in der Tierhaltung Resistenzen gegen diese Reserveantibiotika hervorrufen könne, die über die Lebensmittelkette und die Umwelt auch bis zum Menschen gelangten. Ärzte- und Umweltorganisationen sehen die Bundesregierung in der Pflicht, sich beim G20-Gipfel in Hamburg dafür stark zu machen, Reserveantibiotika aus Tierfabriken zu verbannen. Die bisherigen G20-Beschlüsse reichten nicht aus, um diese Antibiotikawirkstoffe für die menschliche Gesundheit zu sichern und ihre Wirksamkeit zu erhalten.


Die gemeinsame Pressemitteilung der Ärzte- und Umweltorganisationen finden Sie hier:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

2.7.2017 planet.e Doku: Killer-Keime aus dem Stall


Im Kampf gegen multiresistente Keime müssen Mediziner immer öfter auf Reserveantibiotika zurückgreifen. Ausgerechnet diese Notfallmittel setzen Tierärzte auch in der Massentierhaltung ein.Anlässlich des G20-Gipfels in Hamburg, bei dem Deutschland als diesjähriger Gastgeber erstmalig die weltweite Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen auf die Agenda gesetzt hat, zeigt "planet e." den erschreckenden Ist-Zustand im eigenen Land.


Die Dokumentation finden Sie bis zum 30.6.2018 in der ZDFmediathek.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

6.6.2017: WHO klassifiziert Antibiotika neu und unterstreicht kritische Bedeutung der Reserveantibiotika für die Humanmedizin 


Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat ihre Klassifizierung der Antibiotika neu geordnet und dabei noch einmal die absolut kritische Bedeutung der Reserveantibiotika für die Humanmedizin unterstrichen. In der WHO-Liste der Reserveantibiotika finden sich Wirkstoffe wie  Cephalosporine und Colistin, die laut WHO auch in der Humanmedizin nur als letzte Rückfall-Option betrachtet  und nur in schwersten Fällen verwendet werden sollten, wenn alle anderen Alternativen versagt haben, z.B. bei lebensbedrohlichen Infektionen durch multi-resistente Bakterien. Immer noch aber werden Reserveantibiotika in erheblichen Mengen in der Tierhaltung eingesetzt  - etwa Colistin 600mal häufiger als in der Humanmedizin ! 


Die Presseveröffentlichung der WHO finden Sie hier.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

18.5.2017:  Multiresistente Keime und Antibiotika in Gülle aus deutschen Schweinestellen nachgewiesen


Greenpeace hat im Frühjahr 2017 Gülleproben aus Schweineställen in Deutschland getestet. Untersucht wurde das Vorkommen von multiresistenten Keimen und von Antibiotika, die in der Tiermedizin eingesetzt werden und Resistenzen verursachen können.
In 68 Prozent der untersuchten Proben werden multiresistente Keime (ESBL/3-MRGN)  und in 79 Prozent der Proben werden Antibiotika-Wirkstoffe nachgewiesen. 
Untersucht wurden insgesamt 19 Proben aus Ställen in Bayern, Brandenburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.
Das Ergebnis dieser Studie lässt den Schluss zu, dass mit der Ausbringung von Schweinegülle sowohl multiresistente Keime, die potentiell Krankheiten bzw. Infektionen auch beim Menschen auslösen, sowie Antibiotika, die diese Resistenzen mitverantworten, großflächig in der Umwelt verteilt werden. Antibiotika und Keime können von Pflanzen aufgenommen werden. Somit sind die Tierhaltungsbetriebe neben den Schlachthöfen eine signifikante Quelle für die Ausbreitung von Keimen und Antibiotika über die Lebensmittelkette.

Die Studie von Greenpeace finden Sie hier.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

8.5.2017 ARD Doku: Der unsichtbare Feind - Tödliche Supererreger aus Pharmafabriken


Hunderttausende Menschen sterben jedes Jahr durch multiresistente Keime - Bakterien, bei denen viele Antibiotika nicht mehr wirken. Die Gefahr steigt, an Krankheiten zu sterben, die lange als besiegt galten.


Die Dokumentation finden Sie bis zum 8.5.2018 in der ARD Mediathek.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

26.4.2017:  Bundesinstitut für Risikobewertung warnt vor Übertragung von LA-MRSA auf den Menschen durch Geflügelfleisch


Antibiotikaresistente Keime von Tieren können über Lebensmittel auf Menschen übertragen werden. Der Keim-Typ LA-MRSA CC9/CC398 könne insbesondere durch Putenfleisch in den Körper gelangen, teilte die Behörde Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) vergangene Woche mit. Das ist neu, denn bislang war nicht beobachtet worden, dass ein LA-MRSA über diesen Weg übertragen wurde. LA-MRSA sind Krankheitserreger, die Gen­analysen zufolge aus Ställen stammen.


Lesen Sie hier die Mitteilung des BfR und hier einen Artikel der TAZ dazu.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

27.4.2017: Neues Antibiotikaresistenz-Gen in Milch entdeckt

In Bakterien, die natürlicherweise in Kuhmilch vorkommen können, haben Forscher der Uni Bern ein Antibiotikaresistenz-Gen entdeckt. Dieses verursacht auch Resistenz gegen die neueste Generation von Breitband-Antibiotika.

Diese Entdeckung zeigt erneut, welche "Umwege" Resistenzgene auf an sich harmlosen Bakterien nehmen können, um sich in das Erbgut von Krankheitserregern einzuschleichen.

Lesen Sie hier den kompletten Bericht aus der ÄrzteZeitung.

Aus dem Weserkurier vom 6.4.2017

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

25.2.2017: WHO drängt auf Entwicklung neuer Antibiotika


Die Weltgesundheitsorganisation hat eine Liste der zwölf gefährlichsten Bakterienfamilien erstellt. Mit gängigen Antibiotika lassen sich diese Erreger immer schlechter behandeln. Neue Mittel müssen her.


Lesen Sie hier die Veröffentlichung der WHO und hier einen Artikel des SPIEGEL dazu.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

22.2.2017: Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA)

Antibiotikaresistenz weiterhin hoch laut EU-Bericht


Bakterien bei Menschen, Tieren und in Lebensmitteln zeigen weiterhin Resistenzen gegen häufig eingesetzte antimikrobielle Substanzen, so der jüngste Bericht über Antibiotikaresistenzen bei Bakterien, den die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) gemeinsam vorgelegt haben. Die Ergebnisse unterstreichen, dass Antibiotikaresistenzen eine ernstzunehmende Bedrohung für die Gesundheit von Mensch und Tier darstellen. Infektionen durch antibiotikaresistente Bakterien führen in der EU jedes Jahr zu etwa 25.000 Todesfällen.


Den Bericht der EFSA und der ECDC finden Sie hier.

Lesen Sie auch hier einen Bericht der ÄrzteZeitung.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

24.1.2017: Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA)

Es ist an der Zeit, den Einsatz von Antibiotika bei Tieren zu verringern, zu vermeiden und völlig neu zu überdenken


Um die Gesundheit von Mensch und Tier für die Zukunft zu sichern, ist es unabdingbar, den Einsatz von Antibiotika bei Lebensmittel liefernden Tieren zu verringern, diese Mittel soweit wie möglich zu vermeiden und die Nutztierhaltung völlig neu zu überdenken. Antibiotikaresistenz ist eines der dringendsten Probleme für die öffentliche Gesundheit weltweit, und der Einsatz von Antibiotika bei Tieren trägt dazu bei. Daher ist die Beschränkung ihrer Verwendung auf das zur Behandlung von Infektionskrankheiten bei Tieren notwendige Minimum von entscheidender Bedeutung.


Den Bericht der EFSA und der EMA finden Sie hier.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

21.11.2016: BVL veröffentlicht Bericht zum Zoonosen-Monitoring 2015

"Schweinefleisch ist nach wie vor eine bedeutende Infektionsquelle des Menschen mit Salmonellen"


Im Zoonosen-Monitoring werden einschlägige und vergleichbare Daten zum Vorkommen der wichtigsten Zoonoseerreger auf allen Stufen der Lebensmittelkette gewonnen, die es ermöglichen, Rückschlüsse auf das Infektionsrisiko für Verbraucher durch den Verzehr von Lebensmitteln zu ziehen. Die Resistenzuntersuchungen tragen zu einer wesentlichen Verbesserung der Datenlage in diesem Bereich bei und helfen, Beziehungen zwischen Antibiotikaanwendung und Resistenzentwicklung besser analysieren zu können.

Die Untersuchungen auf Schlachthofebene zeigen, dass bei der Schweine- und Rinderschlachtung im Vergleich zur Geflügelschlachtung eine deutlich geringere Verschleppung von eingetragenen Keimen auf die Schlachtkörper erfolgt. Aufgrund des üblichen Rohverzehrs stellen Schweine- und Rindfleisch dennoch wichtige mögliche Infektionsquellen des Menschen mit Zoonoseerregern dar. Rohes Hackfleisch und Rohwurstprodukte sind aus diesem Grund keine geeigneten Lebensmittel für empfindliche Verbrauchergruppen wie Kleinkinder, ältere und immungeschwächte Menschen und Schwangere.

Vorgeschnittene, verpackte Blattsalate sind in Einzelfällen mit potenziell krankmachenden Keimen kontaminiert, was insbesondere aufgrund des Rohverzehrs von Salaten von Bedeutung ist. Sie stellen für empfindliche Verbrauchergruppen kein geeignetes Lebensmittel dar, zumal das feuchte Milieu, das in den Verpackungen herrscht, unter Umständen eine Vermehrung von Keimen begünstigt. Die Ergebnisse des Zoonosen-Monitorings zeigen, dass die Einhaltung von Hygieneregeln auch im Umgang mit pflanzlichen Lebensmitteln notwendig ist. Sie unterstreichen die Empfehlung, auch vorgeschnittene Salate vor dem Verzehr gründlich zu waschen.

MRSA und ESBL/AmpC-bildende E. coli wurden in den Lebensmittelketten Mastschwein und Mastkalb/Jungrind sehr häufig nachgewiesen Die Übertragung von MRSA auf den Menschen scheint über den Verzehr von Lebensmitteln von untergeordneter Rolle zu sein. Bei ESBL/AmpC-bildenden E. coli ist nach derzeitigem wissenschaftlichem Kenntnisstand dagegen davon auszugehen, dass diese resistenten Keime auch über Lebensmittel auf den Menschen übertragen werden können, wobei sich das Infektionsrisiko gegenwärtig nicht genau abschätzen lässt.

Die Resistenzraten waren im Zoonosen-Monitoring 2015 insgesamt gegenüber den Vorjahren eher rückläufig. Als problematisch wird aber die zu beobachtende zunehmende Resistenz von MRSA-Isolaten gegenüber dem in der Humanmedizin wichtigen Wirkstoff Ciprofloxacin (aus der Gruppe der Fluorchinolone) und gegenüber weiteren wichtigen Antibiotika gesehen. Die hohen Resistenzraten bei Isolaten, die von Läufern und Mastkälbern/Jungrindern gewonnen wurden, spiegeln die häufige Exposition dieser Tiergruppen gegenüber Antibiotika wider.

Verbraucher können sich vor bestimmten lebensmittelbedingten Infektionen schützen, indem sie das Fleisch gründlich durcherhitzen und eine strenge Küchenhygiene einhalten, die die Übertragung der Erreger vom rohen Fleisch auf verzehrfertige Le- bensmittel (zum Beispiel Salat) während der Speisenzubereitung verhindert. Obst und Salat sollte vor dem Verzehr gründlich gewaschen werden, um die Keimbelastung zu vermindern. Um einer Vermehrung der Erreger im Fleisch und in bestimmten verzehrfertigen Lebensmitteln entgegenzuwirken, sollten insbesondere die Kühlketten aufrechterhalten und kurze Verbrauchsfristen festgelegt werden. Rohes Hackfleisch und rohe Fleisch- und Milchprodukte sowie bestimmte verzehrfertige Lebensmittel sollten von empfindlichen Verbrauchergruppen wie Kleinkindern, älteren und immungeschwächten Menschen und Schwangeren nicht verzehrt werden, da sie ein potenzielles gesundheitliches Risiko darstellen. 

Die Mitteilung des BVL lesen Sie hier, den vollständigen Zoonosen-Bericht hier.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

23.11.2016: 

BR Fernsehen DokThema "Keime aus dem Tierstall - Wie gefährlich sind sie wirklich ?"

Diese sehr sehenswerte Fernsehdokumentation des Bayerischen Rundfunks finden Sie  hier.


Der BR schreibt dazu:

Putenfleisch vom Discounter, das mit Antibiotika resistenten Keimen verseucht ist. Landwirte, die in Kliniken sofort in Quarantäne kommen, weil sie als Risikopatienten gelten. Bürgerinitiativen, die sich gegen Ställe für Massentierhaltung in ihrer Nachbarschaft wehren: Die Angst vor der Gefahr aus dem Tierstall wächst. Doch ist sie berechtigt ? 

Als Hauptursache für die Verbreitung multiresistenter Keime wird der zu hohe Verbrauch von Antibiotika gesehen. Im letzten Jahr kamen in Deutschland laut Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit 805 Tonnen Antibiotika in der Tiermedizin zum Einsatz. Das entspricht einem Rückgang um gut ein Drittel gegenüber dem Vorjahr ! 

Trotzdem kann von einer Entwarnung keine Rede sein. Denn in Deutschland sterben – konservativ geschätzt – mindestens 6.000 Menschen pro Jahr an den Folgen von multiresistenten Keimen. Die Ursachen sind komplex, liegen aber laut Kritikern beispielsweise von German Watch nicht nur in der Humanmedizin begründet, sondern auch an den Bedingungen in der Massentierhaltung wie zu enge Ställe für zu viele Tieren, die wenn sie erkranken, nicht isoliert, sondern in Gruppen oder ganz im Stall behandelt werden. 

Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit fordert daher: „Verbesserte Haltungsbedingungen, ein gutes Herdenmanagement und optimierte Hygienemaßnahmen sind die wichtigsten Instrumente, um einen restriktiven Einsatz von Antibiotika zu erreichen“.

Wie aber soll das durchgesetzt werden ? Im Januar 2014 wurde eine Dokumentationspflicht eingeführt, mit der die Bauern ihre Antibiotika-Anwendungen transparent machen müssen. Doch Kritiker halten diese Datenerfassung nicht für ein geeignetes Instrument, da nur die Häufigkeit der angewandten Antibiotika dokumentiert werden muss, nicht aber, welche Wirkstoffklasse zur Anwendung kommt. DokThema zeigt, dass Landwirte und Tierärzte nun immer öfter zu sogenannten One-Shot-Antibiotika greifen, zu Präparaten, die so stark sind, dass eine einzige Gabe reicht. Und auch die sorgsam gehüteten Reserve-Antibiotika kommen nach wie vor zum Einsatz.

Ein weitere Kritikpunkt am System ist das Recht der Tierärzte, Antibiotika direkt zur verkaufen. Das verleite dazu, dass zu viele Antibiotika verschrieben und verkauft werden. Denn die Ärzte verdienen daran. DokThema ist in Dänemark, wo das Dispensierrecht längst abgeschafft wurde und wo ein Kontrollsystem mit gelben und roten Karten die übermäßige Vergabe von Antibiotika streng sanktioniert.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

18.11.2016: SPIEGEL berichtet: Resistente Bakterien verursachen Tausende Todesfälle


Dass Bakterien gegen Antibiotika resistent werden, ist ein globales Problem. Auch in Europa steigt die Zahl der Fälle. Doch es gibt einige positive Trends. Lesen Sie den vollständigen Artikel hier.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

14.11.2016: ZDF WISO berichtet "Antibiotika-Resistenzen durch Tiermast"


Immer öfter funktionieren Antibiotika bei Menschen nicht mehr. Schuld daran sind die Haltungsbedingungen der Nutztiere. Ohne Medikamente würden viele nicht bis zum Schlachtdatum überleben. Den WISO Bericht finden Sie hier.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

14.10.2016: Europäische Arzneimittel-Agentur EMA veröffentlicht Zahlen zu Antibiotikaeinsatz bei Nutztieren in der EU - viel Nachholbedarf für Deutschland

 

Nach Angaben der Europäischen Arzneimittel-Agentur werden Medikamente, die von der Weltgesundheits-organisation WHO als "von entscheidender Bedeutung in der Humanmedizin" eingestuft werden, in der Nutztierhaltung  in den großen Ländern der EU häufig eingesetzt. Und dies trotz der dringenden Empfehlung der WHO, diese Medikamente wegen ihrer Bedeutung in der Humanmedizin nur in den extremsten Fällen, wenn überhaupt, bei der Behandlung von Tieren zu verwenden.


Die Zahlen zeigen weiterhin, dass in der EU über 90% der in der Tierhaltung eingesetzten Antibiotika zur Herdenbehandlung über Trinkwasser oder Futter gegeben werden (sog. "Metaphylaxe"). Die positive Ausnahme bildet Schweden, wo über 90% der Antibiotika ausschließlich zur Einzelbehandlung kranker Tiere gegeben werden.


Setzt man die in den 29 EU-Staaten für die Tierhaltung verwendeten Antibiotikamengen in Relation zum jeweiligen (geschätzten) Gesamtgewicht der Tierbestände, so ergeben sich eklatante Unterschied   zwischen den einzelnen Ländern. Den relativ höchsten Antibiotikaeinsatz hat Spanien mit 419 mg/kg, den niedrigsten Norwegen mit lediglich 3 mg/kg. Der vermeintliche Vorreiter Deutschland liegt mit 149 mg/kg mehr als 6-mal so hoch wie ganz Skandinavien und fast 50-mal so hoch wie Norwegen ! (Zahlen von 2014).


Im Zeitraum 2011 - 2014 stieg in Deutschland der Verbrauch von Fluorchinolonen ( eine wichtige Klasse von "Reserveantibiotika") um 50% an, während er im gleichen Zeitraum in den Niederlanden um 72% zurückging !


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Lesen Sie den vollständigen Report der Europäischen Arzneimittel-Agentur hier.


Zum Vergleich des Antibiotikaeinsatzes in der Nutztierhaltung in verschiedenen europäischen Ländern gibt es hier sehr informative Berichte.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

15.10.2016: Kommentar im Niedersächsischen Zahnärzteblatt 10/2016


Das Niedersächsische Zahnärzteblatt berichtet in seiner Oktoberausgabe über die neuen Zahlen der Antibiotikaabgabe an die Tiermedizin. Das Blatt kommentiert dazu:


"Inzwischen hat das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) die Mengen der abgegebenen Antibiotika in der Tiermedizin aufgrund fehlerhafter Angaben eines Pharmaunternehmens korrigiert. 

„Insbesondere bei den Fenicolen und Fluorchinolonen gibt es starke Abweichungen von den zunächst gemeldeten Mengen“ schreibt das BVL. Seit dem Jahr 2011 muss die pharmazeutische Industrie erfassen, welche Mengen an Tierarzneimitteln, insbesondere Antibiotika, sie jährlich an Tierärzte abgibt. In seiner Pressemeldung bestätigt das BVL einmal mehr: „Der Transfer von antibiotikaresistenten Bakterien und/oder der Transfer von Resistenzgenen zwischen Mensch und Tier sind wechselseitig möglich." 

Wenn man von diesen peripheren Zahlenspielen mit sedierender Wirkung absieht, muss man allerdings zu dem Schluss kommen, dass die politisch Verantwortlichen mehrheitlich nach wie vor nicht willens sind, eine der wesentlichen Ursachen der Resistenzbildung, die ursächlich verantwortlich ist für den Tod von jährlich
bis zu 15.000 Patienten in deutschen Krankenhäusern, an der Wurzel zu fassen. Zusätzlich dürfte die auf Wettbewerb, Umsatz und Konsum ausgerichtete EU-Politik mit ihren zahlreichen außerparlamentarischen „Helfern und Beratern“ kein wirkliches Interesse an einer stringenten Begrenzung der Antibiotikaabgabe und der allseits bekannten Antibiotikaverfütterung zu Mastzwecken in der industriellen Landwirtschaft haben.
Hier wäre insbesondere ein Mehr an ministerieller Verantwortung gefragt, das sich an der simplen Frage auszurichten hat, ob der finanzielle Mehrwert bei der Vermarktung von Mastvieh höher zu bewerten ist als die Vermeidung von Todesfällen durch bakterielle Resistenzen, insbesondere durch den Einsatz von Reserveantibiotika in der Landwirtschaft. In dem von Minister Gröhe vorgelegten 10-Punkte-Plan zur Bekämpfung resistenter Keime heißt es: „Mit den Erfahrungen aus der Deutschen Antibiotika-Resistenzstrategie leistet Deutschland einen wichtigen Beitrag bei der Ausarbeitung und Umsetzung des Globalen Aktionsplans ... in den kommenden fünf Jahren will Deutschland Partnerländer dabei unterstützen, Nationale Strategien zur Bekämpfung von Antibiotika-Resistenzen zu entwickeln und umzusetzen.“ 

Solche und ähnliche wohlfeile Merksätze aus Bürokratenfedern sind bestenfalls geeignet, das bekannte Elend zu dilatieren. Alles scheint so einfach. Warum produziert das über alle Maßen fleißige Gesundheitsministerium – in Koordination mit dem Landwirtschaftsministerium – keine Gesetzesvorlage, die zumindest den Einsatz von Reserveantibiotika in der Landwirtschaft schlicht verbietet – und zwar schnell? 
Die Antwort liegt auf der Hand ..."

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


30.9.2016: Offener Brief an Bundesminister Christian Schmidt zu unzuverlässigen Zahlen über Antibiotikaabgabe an die Tiermedizin

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Das Bündnis aus

- Ärzte gegen Massentierhaltung n. e. V.
- Coordination gegen BAYER-Gefahren e. V. (CBG)
- Germanwatch e. V.
- Health and Environment Justice Support e. V. (HEJSupport)
- Pestizid Aktions-Netzwerk e. V. (PAN Germany)
- Tierärzte für verantwortbare Landwirtschaft e. V.

hat in einem Offenen Brief eine Anfrage an Bundesminister Christian Schmidt  zur Plausibilität und Verlässlichkeit der dokumentierten Antibiotika-Abgabemengen des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) gerichtet.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wie bereits im Jahr 2014 hat das BVL die Zahlen für die Abgabemengen von Antibiotika in der Tiermedizin kurz nach deren Bekanntgabe korrigiert.  Begründet wird dies mit fehlerhaften Angaben eines anonymen Herstellers. In diesem Jahr sind die Abweichungen besonders eklatant: der Korrekturbedarf für einzelne Antibiotikaklassen beträgt bis zu 80 % ! Aber auch nach diesen Korrekturen bleiben viele Fragen offen.


Wir fordern erneut, die folgenden Maßnahmen zeitnah umzusetzen:

- Verbannung des Einsatzes von Reserve-Antibiotika aus Intensivtierhaltungen
- Angabe der „Defined Daily Doses“ als Erfassungskriterium zur Vergleichbarkeit von Antibiotika-Mengen  
- Die Erfassung des Antibiotika-Einsatzes in allen Tierhaltungen, nicht nur in  ausgewählten Mastbetrieben
- Durchführung eines Antibiogramms (Wirksamkeitstest) als Pflichtvorgabe bei Antibiotikaeinsätzen.
- Einschränkung der Umwidmungsmöglichkeiten von Wirkstoffen.
- Erhebliche Verbesserung der Tierschutzbestimmungen für alle Nutztiere in der Nutztierhaltungsverordnung  

- Verbot der Nutzung von Tieren aus Qualzucht.


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

21.9.2016: UN-Generalversammlung verabschiedet wegweisende Erklärung zum Thema antimikrobielle Resistenzen (AMR)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Lesen Sie die Deklaration im Wortlaut hierAuch Deutschland wird AMR auf die Agenda seiner G20-Präsidentschaft setzen, die im Dezember 2016 beginnt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

21.9.2016: 

Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) korrigiert die im August genannten Zahlen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Aufgrund fehlerhafter Angaben eines pharmazeutischen Unternehmers müssen die vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) am 3. August veröffentlichten Daten zu den in Deutschland 2015 abgegebenen Mengen an Antibiotika in der Tiermedizin an einigen Stellen korrigiert werden. Nach Neuauswertung der Daten ergibt sich folgendes Bild: In Deutschland hat sich die Gesamtmenge der von pharmazeutischen Unternehmen und Großhändlern an Tierärzte abgegebene Menge an Antibiotika zwischen den Jahren 2011 und 2015 von 1.706 auf 805 Tonnen mehr als halbiert (minus 53 Prozent). Von 2014 zu 2015 ging die Gesamtmenge der abgegebenen Antibiotika um 433 Tonnen (35 Prozent) zurück. Die Abgabemengen für Antibiotika mit besonderer Bedeutung für den Menschen sind nicht – wie bei der ersten Auswertung 2016 ermittelt – angestiegen, sondern leicht gesunken.


Die Pressemitteilung des BVL lesen Sie hier.


Unsere Meinung:


Wie bereits im Jahr 2014 muss das BVL kurz nach Bekanntgabe der Zahlen für die Abgabemengen von Antibiotika in der Tiermedizin diese bereits wieder korrigieren. In diesem Jahr sind die Abweichungen eklatant: die genannten Mengen für  Fenicole differieren um über 80%, für Fluorchinole und Cephalosporine um 30% ! Es bleiben erhebliche Zweifel an der Verlässlichkeit der Daten. 


Nach wie vor ist über den Zeitraum 2011 bis 2015 ein bedenklicher Anstieg des Einsatzes von Antibiotika mit besonderer Bedeutung für die Therapie beim Menschen festzustellen: 2015 wurden gut 30% mehr Flurochinolone in der Tierhaltung eingesetzt als vor 5 Jahren.


Hier hilft nur eine klare politische Vorgabe, nämlich die umgehende Verbannung dieser sog. Reserve-Antibiotika (Fluorchinolone, Cephalosporine, Colistin) aus der Intensivtierhaltung !

Antibiotikaeinsatz in industriellen Tierhaltungen: Wirkstoffwechsel statt weniger Antibiotika

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Offener Brief an Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft

(6. Sep. 2016) In einem Offenen Brief an Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt fordert die Ärzteinitiative gegen Massentierhaltung gemeinsam mit weiteren Organisationen*, Reserveantibiotika aus der industriellen Fleisch- und Milcherzeugung zu verbannen, um diese besonders wichtigen Antibiotika-Wirkstoffe möglichst für die Humanmedizin wirksam zu erhalten.

Die von der Bundesregierung betriebene Datenbank zur Erfassung des Antibiotikaeinsatzes in Tierhaltungen müsse an zentralen Stellen nachgebessert werden, um Anreize für den steigenden Einsatz von Reserveantibiotika daraus zu entfernen. Das Landwirtschaftsministerium hatte zwar Eckpunkte für weitere Regelungen für den Antibiotikaeinsatz bei Tieren vorgelegt, doch ohne den Erlass einer klaren Verordnung bleibt das Papier unwirksam für die Gesundheit von Mensch und Tier, kritisieren die Unterzeichner.

*Unterzeichnende Organisationen:

Coordination gegen BAYER‐Gefahren e. V. (CBG)


Germanwatch
Pestizid Aktions‐Netzwerk e.V. (PAN Germany)
Health and Environment Justice Support e.V. (HEJSupport)
Tierärzte für verantwortbare Landwirtschaft e.V. 



Den kompletten Wortlaut des Briefes finden Sie hier:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

3.8.2016: Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL)

Menge der abgegebenen Antibiotika in der Tiermedizin halbiert - Gleichzeitiger Anstieg der Abgabemengen für Antibiotika mit besonderer Bedeutung für die Therapie beim Menschen

In Deutschland hat sich die in der Tiermedizin abgegebene Menge an Antibiotika zwischen den Jahren 2011 und 2015 von 1.706 auf 837 Tonnen mehr als halbiert (minus 51 Prozent). Von 2014 zu 2015 ging die Gesamtmenge der abgegebenen Antibiotika um 401 Tonnen (32 Prozent) zurück. Das ergab die Auswertung der inzwischen im fünften Jahr erhobenen Abgabemengendaten für Antibiotika durch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL). Von 2011, dem ersten Jahr der Erfassung, bis 2015 wurde jedoch auch für einige Wirkstoffklassen ein Anstieg der Abgabemengen festgestellt, darunter Fluorchinolone und Cephalosporine der 3. Generation. Diese beiden Antibiotikaklassen sind für die Therapie beim Menschen von besonderer Bedeutung.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Details lesen Sie hier.


Die Ärzteinitiative nimmt dazu Stellung:


Eine "Halbierung der Gesamtmenge" klingt wie eine richtig gute Nachricht, verdeckt aber leider nur eine alarmierende Tendenz. In der Tiermedizin werden in den letzten 5 Jahren zunehmend hochwirksame und für die Humanmedizin besonders wichtige Antibiotika eingesetzt wie Fluorchinolone und Cephalosporine der 3. Generation.

 

Diese sog. "Reserve-Antibiotika" können deutlich niedriger dosiert eingesetzt werden (zum Teil nur 1/70 der Menge pro Therapiezyklus), d.h. 1 Tonne ersetzt bis zu 70 Tonnen konventioneller Antibiotika. Es besteht daher der Verdacht, dass wegen der geforderten Tonnage-Reduzierung auf Reserve-Antibiotika ausgewichen wird. Eine Reduzierung der Behandlungsfälle lässt sich daraus jedenfalls nicht schließen. Im Gegenteil: durch den vermehrten Einsatz dieser Mittel werden Resistenzentwicklungen noch gefördert.

Äußerst bedenklich ist auch der weiterhin hohe Einsatz von Colistin in der Tiermedizin, das die dritthöchste Abgabemenge vorweist. Anfang diesen Jahres wurden weltweit Übertragungen von Colistin-Resistenzen durch das MCR-1-Gen nachgewiesen. Dieses Gen kann zwischen verschiedenen Arten von Bakterien übertragen werden, was zu einer noch schnelleren Entwicklung und Verbreitung von Resistenz führt.

Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) hat Ende Juli empfohlen, Colistin-haltige Arzneimittel künftig nur noch als Zweitlinientherapie bei Tieren zu verwenden und den Verkauf der Mittel in allen EU-Mitgliedstaaten zu minimieren, um die Gefahr von Resistenzentwicklungen zu verringern. 

Fluorchinolone, Cephalosporine der 3. und 4. Generation sowie Colistin sind aus humanmedizinischer Sicht absolut unverzichtbare Reserveantibiotika, die überhaupt nicht in der Tierhaltung eingesetzt werden sollten. Wir fordern das sofortige Verbot des Einsatzes dieser Antibiotikaklassen in der Tierhaltung.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Und hier finden Sie weitere Berichte in den Medien zu diesem Thema:


Radio Bremen, Buten un Binnen Magazin, 14.8.2016  Mehr Reserveantibiotika für Tiere


Weserkurier, 10.8.2016  Mehr Reserveantibiotika in Ställen  plus Kommentar: Wirkungslos


Radio Bremen Online, 14.8.2016 Weniger Antibiotika, mehr Gefahren?


Bundesverband Praktizierender Tierärzte e.V., 3.8.2016 Tierärzteverband erfreut über weiter gesunkene Antibiotikaabgabemengen


Greenpeace Magazin, 5.8.2016 Tiere bekommen weniger Antibiotika – ein großes Problem hat sich jedoch verstärkt


top agrar online, 5.8.2016   Antibiotikamengen in der Tierhaltung um 51 % gesunken ! 

 

Nordwest Zeitung 10.8.2016

27.7.2016: Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) empfiehlt eine deutliche Einschränkung des Colistin-Einsatzes bei Tieren.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Nach Abschluß einer öffentlichen Experten-Anhörung hat die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) empfohlen, Colistin-haltige Arzneimittel künftig nur noch als Zweitlinientherapie bei Tieren zu verwenden und den Verkauf der Mittel in allen EU-Mitgliedstaaten zu minimieren, um die Gefahr von Resistenzentwicklungen zu verringern. Die EMA reagiert damit auf die Anfang diesen Jahres weltweit nachgewiesenen Resistenzübertragungen durch das MCR-1-Gen. Das Gen kann zwischen verschiedenen Arten von Bakterien übertragen werden, was möglicherweise zu einer noch schnelleren Entwicklung und Verbreitung von Resistenz führt. 

Details lesen Sie hier.


Dazu schreibt top agrar online am 3.8.2016      Antibiotika: Forderung der EMA umsetzen

13.7.2016: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) unterstützt Filterpflicht und Keim-Grenzwerte für Tierfabriken

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Niederländische Studie belegt Gesundheits-Risiken für Agrarfabriken-Anwohner   
Vor dem Hintergrund der anstehenden Novellierung der Technischen Anleitung (TA) Luft durch einen Referentenentwurf des Bundesumweltministeriums verweist der Landesverband Niedersachsen/Bremen der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) auf aktuelle Ergebnisse einer niederländischen Studie, wonach Tierhaltungsanlagen mit hohen Tierzahlen bei den Anwohnern zu einer verringerten Lungenfunktion und vermehrten Lungenentzündungen führen. Die AbL unterstütze deshalb die geplante Filterpflicht für Groß-Tierhaltungsanlagen und die längst überfällige Festlegung von Vorsorge-Grenzwerten für Keime und Bioaerosole im Referentenentwurf der TA Luft. Diese Vorsorge-Grenzwerte würden von Agrarindustrie-Kritikern, den „Ärzten gegen Massentierhaltung“ und dem bundesweiten Bürgerinitiativen-Netzwerk „Bauernhöfe statt Agrarfabriken“ seit langem eingefordert.   

Laut AbL liegen in Deutschland bislang kaum ähnliche Untersuchungen wie in den Niederlanden vor – diese Lücke gelte es rasch zu schließen, auch gegen den Widerstand von Agrarindustrie-Lobbyisten. Demgegenüber liefen in den Niederlanden seit Jahren detaillierte Untersuchungen über die Immissions-Auswirkungen von Agrarfabriken, und zwar in einem gemeinsamen Projekt der staatlichen Institutionen RIVM und NIVEL und der Universität Wageningen. Diese Untersuchungen, die Ende 2016 vollständig dokumentiert würden, stützten sich auf Daten von Hausärzten, Fragebögen und der Untersuchung von 2.500 Menschen.

Zu den bisherigen Ergebnissen gehöre auch die Erkenntnis, dass in der Nähe von Tierhaltungsanlagen weniger Menschen an Asthma und Atemwegsallergien erkrankten – ähnlich wie Personen, die auf Bauernhöfen aufwüchsen. Gleichzeitig würden Menschen mit einer COPD-Lungenfunktionsstörung unter erheblich stärkeren Beeinträchtigungen ihrer Lungenfunktion leiden – vor allem im Umkreis von 1 km mit hoher Dichte von Tierhaltungsanlagen. Insgesamt fanden die Wissenschaftler mehr Lungenentzündungen in diesen Regionen und eine höhere Anfälligkeit für Infektionen und Befall mit antibiotika-resistenten MRSA-Keimen.       

AbL-Vertreter Eckehard Niemann verwies in diesem Zusammenhang auf Studien des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR), wonach das Auftreten antibiotika-resistenter MRSA-Bakterien eindeutig von der Zahl der Tiere pro Bestand und den Haltungsbedingungen abhängig seien. Insofern werde die geplante Filterpflicht für agrarindustrielle Anlagen mit mehr als 2.000 Mastschweinen, 750 Sauen oder 6.000 Aufzuchtferkeln diese Risiken mindern. Frei gelüftete Ställe mit (immissionsmindernder) Einstreu und Auslauf der Tiere dürften danach nur unterhalb dieser Größenordnungen genehmigt werden, was auch hinsichtlich der Relationen von Tierwohl und Bestandsgröße Sinn mache. 

Zugleich würden so die mittelständisch-bäuerlichen Schweinehaltungsbetriebe und die Betriebe mit artgerechteren Haltungsbedingungen gegenüber dem bisherigen Konkurrenzdruck durch agrarindustrielle Tierhalter und deren erzeugerpreisdrückender Überschussproduktion entlastet. Die beabsichtigte bundesweite Filterpflicht schaffe zudem eine Wettbewerbsgleichheit zwischen den Ländern mit bestehender Filterpflicht (Niedersachsen, NRW, Schleswig-Holstein) und Ländern ohne bisherigen Filtererlass bzw. unzureichendem Filtererlass (Thüringen) . In jedem Fall müsse konsequent kontrolliert und geahndet werden, wenn Agrarindustrielle ihre Filteranlagen aus Kostengründen zeitweilig abstellten.  Die AbL forderte auch für Großanlagen der Geflügelhaltung eine rasche Filterpflicht, weil hierfür mittlerweile Filter entsprechend dem Stand der Technik vorhanden seien. Dies sei auch angesichts der EU-Forderung nach einer drastischen Senkung der Ammoniak-Immissionen in Deutschland dringend geboten.   

Das Bundesbaugesetzbuch, so die AbL, müsse zudem die bisherigen Bau-Beschränkungen für gewerbliche Tierfabriken rasch auf sämtliche Groß-Tierhaltungsanlagen ausdehnen, die EU-Vorgaben zum Tierwohl müssten auch in Deutschland endlich ordnungsrechtlich umgesetzt werden. Dann sei das Ziel einer mittelständisch-bäuerlichen und artgerechteren Nutztierhaltung und das Ziel einer EU-weiten Beendigung der agrarindustriellen Massentierhaltung durchaus realistisch, wie das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats des Bundesagrarministeriums zur Zukunft der Nutztierhaltung an vielen Punkten belege. 


Die zitierte niederländische Studie finden Sie hier.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

7.7.2016: Landtag Mecklenburg-Vorpommern beschließt: Reserveantibiotika ausschließlich für die Humanmedizin


Mit seinem Beschluss 6/5522 vom 7.7.2016 hat der Landtag Mecklenburg-Vorpommern sich hinter die Resolution des XIV. Parlamentsforums Südliche Ostsee vom 12.-14.6.2016 gestellt. Das Forum hatte alle Ostseeanrainerstaaten aufgerufen, u.a. die Verwendung von Antibiotika generell und insbesondere in der Landwirtschaft (Viehzucht) und Fischereiwirtschaft (Aquakultur) auf ein absolut notwendiges Maß zu reduzieren und Reserveantibiotika ausschließlich in der Humanmedizin einzusetzen.


Weitere Details finden Sie hier

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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